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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Restaurant, und eine weitere Gruppe Schaulustiger fand sich gegenüber auf der Parkfläche des Marktplatzes zusammen. Für Phil bedeutete das, er musste als Amtsperson tätig werden.
    »Hatten Sie vielleicht einen Unfall?«, fragte er den Mann.
    Der schaute ihn an, nickte und sagte nur »Bigfoot«, ehe er zusammenbrach.
     
    Zwei Stunden später befand sich Tom Kozelek auf der Polizeiwache. Eingewickelt in drei Wolldecken saß er da und hielt mit beiden Händen eine Tasse Hühnersuppe. Er befand sich in dem Zimmer, das eigentlich für Vernehmungen gedacht war, was aber bei der Polizei in Sheffer nur selten vorkam, und ansonsten als Abstellraum für Mäntel, nasse Stiefel und Kram aller Art benutzt wurde. Das Mobiliar bestand aus einem Schreibtisch, drei Stühlen und einer Uhr. Früher war hier die Teeküche gewesen, ehe die ins obere Stockwerk neben das neu eingerichtete Büro verlegt wurde. Ein Teil der Trennwand war verglast, was dem Raum das Aussehen einer größeren städtischen Polizeiwache gegeben hätte, wenn auf der Glasfläche nicht eine ganze Parade von Halloweenbildern geklebt hätte. Diese Bilder wurden alljährlich vom talentiertesten kleinen Maler der hiesigen Schule entworfen, und das war der Grund, weshalb die Glasfläche dem Raum kein professionelles Aussehen gab. Entweder hatte man den Kindern vor dem Malen die Augen verbunden, oder Sheffer musste alle Hoffnung begraben, jemals ein Museum für einen einheimischen Künstler errichten zu können. Phil Banner hatte einmal die Ansicht geäußert, man solle die Bilder von einem Profi, der etwas vom Zeichnen verstand, entwerfen lassen. Man hatte ihm erwidert, dass er sicherlich anders urteilen würde, wenn er selbst Kinder hätte. So übte er sich bis auf Weiteres in Geduld.
    Neben Phil stand Melissa Hoffman. Melissa wohnte dreißig Meilen weiter in Ellensburg und arbeitete im hiesigen Krankenhaus. Der einzige in Sheffer niedergelassene Arzt, Doktor Dandridge, war wohlgelitten, aber schon so alt wie der liebe Gott und bei weitem nicht so unfehlbar wie dieser, und deshalb wählte die Polizei in letzter Zeit eher Melissas Nummer. Sie war Ende dreißig und sah wirklich gut aus, was sie aber nicht zu wissen schien. Sie war glücklich verheiratet mit einem stämmigen Kerl, Antiquariatsbuchhändler und Kettenraucher.
    Sie löste den Blick von der gläsernen Trennwand und sagte: »Mit ihm ist so weit alles in Ordnung. Ein Knöchel hat etwas abbekommen. Ein bisschen unterkühlt, aber keine Erfrierungen. Über die genauen Umstände schweigt er sich aus, aber nach dem, was er berichtet, hat er sich die Beulen vor ein paar Tagen geholt. Eine Gehirnerschütterung kann es nicht sein, die hätte sich früher bemerkbar gemacht, und wahrscheinlich wäre er dann gar nicht hier. Man muss ihn aufpäppeln und ansonsten schlafen lassen. Ihm fehlt weiter nichts. Er hat Glück gehabt.«
    Phil nickte. Er wünschte, sein Chef wäre jetzt da und nicht gut hundert Meilen von hier zu Besuch bei seiner Schwester. »Aber die andere Sache?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich meinte, körperlich fehlt ihm so weit nichts. Wie es in seinem Kopf aussieht, das ist eine andere Geschichte.« Sie wandte sich zum Schreibtisch, wo der Rucksack, den der Mann getragen hatte, in einer Lache von Tauwasser lag. Das Wasser war bis auf den Fußboden getropft. Sie nahm einen Kugelschreiber aus dem Behälter an der Ecke und stocherte, mit der anderen Hand den Rucksack offen haltend, in dessen Inhalt herum. »Das ganze Ding trieft von Alkohol, und Sie sagten, dass er vorher auch schon getrunken hat.«
    Phil nickte. Er hatte sich bald erinnert, woher er das Gesicht des Mannes kannte. »Er hat vergangenes Wochenende versucht, spät nachts noch in Big Franks Bar hineinzukommen. Ich musste ihm das ausreden.«
    Melissa betrachtete durch die Glasscheibe den vor sich hin dösenden Mann, der zu keinem Muckser fähig schien. Während sie ihn ansah, blinzelte er träge wie ein alter Hund kurz vorm Einschlafen. »Wirkte er gefährlich? Psychotisch?«
    »Nein. Eher irgendwie traurig. Zufällig bin ich am anderen Morgen Joe und Zack begegnet, und die sagten, ein Typ hat den ganzen Abend dort gesessen und sich volllaufen lassen. Dabei schien es sich um dieselbe Person zu handeln.«
    »Dann hat er vier Tage lang getrunken, vermutlich nichts gegessen und obendrein noch den Magen voller Schlaftabletten. Das spricht nicht gerade für eine glückliche Verfassung. Dennoch sieht er nicht wie ein psychisch Gestörter

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