Engel des Todes
käuflichen Mädchen mochte er das. Es passte irgendwie. Es besagte so viel wie: Das ist eine Frau, die sich ihres Körpers bewusst ist, die ihn als ein Mittel einsetzt. Pete kannte Frauen, die Freundinnen oder Ehefrauen seiner Freunde, die sich vor ein, zwei Jahren, als diese Mode aufkam, hatten tätowieren lassen. Kaum zu glauben, auch Maria wollte ein Tattoo. Eine Katze oder so was. Er sagte nein, und damit hatte er recht. Mit einer Tätowierung sahen Frauen wie Stripperinnen aus, was bei einer Stripperin ja in Ordnung war, aber eine Dummheit bei allen anderen. Nicht anders als das Tanzen an der Stange. Vor ein paar Jahren war dieser Fimmel unter den Yuppie-Ehefrauen ausgebrochen. Alle wollten Animationstanz lernen oder doch zumindest einen solchen Kurs bei einer kessen Aerobic-Tusse mitmachen. Die ganze Dämlichkeit dieser Idee brachte Pete in Rage. Der Reiz der Frauen, die sich an einer Stange räkeln, bestand doch darin, dass sie eben nicht die Ehefrauen waren. Jede andere Frau, die sich auf diese Weise produziert und meint, damit einen höheren Grad sexueller Attraktivität zu erreichen, der sie von den biederen Hausfrauen abhebt, beweist damit nur erstens, dass sie sich zu ernst nimmt, was an sich schon wenig sexy wirkt (siehe Demi Moore), zweitens, dass sie glaubt, für ihr Alter noch ziemlich scharf zu sein, was, selbst wenn es stimmt, nur anödet, oder drittens, dass sie zu Hause nicht sehr glücklich ist und von Sex mit einem anderen Partner träumt. Womöglich mit jedem x-beliebigen. So geschehen bei Petes früherem Freund Johnny, der ihm elf Jahre lang die Buchhaltung gemacht hatte. Johnny war gut im Geschäft, mischte im Incline Village mit. Dann machte Johnnys Frau so einen Kurs mit. Sie behauptete, das sei eine neue Form von Gymnastik. Sie führte es ihm auch einmal zu Hause vor. Beim ersten Mal tat es seine Wirkung, aber dann, Herrgott, du bist immer noch meine Frau, und im Übrigen bekämen dir ein paar Pfunde weniger ganz gut. Vier Monate später ließ sie es sich von einem pickligen Jungspund besorgen, der in der Abteilung Ratgeberliteratur in einer Barnes & Noble-Filiale arbeitete. Dass es so weit gekommen war, schien am Ende auch noch Johnnys Schuld zu sein. Ehe kaputt, Unterhaltszahlungen für das Kind. Bald darauf verbrachte er seine Nachmittage in Bars, wo es professionelle Tänzerinnen zu sehen gab, solche mit Narben und Kindern. Außerdem trank er zu viel. Pete vertraute seine Buchhaltung einer anderen Firma an. Und alle anderen folgten seinem Beispiel.
Pete zog wieder genüsslich an seiner Zigarre und freute sich daran, wie der Rauch das Zimmer erfüllte. Dabei war es keine Havanna, nicht einmal eine teure honduranische Zigarre – er warf kein Geld zum Fenster hinaus –, aber sie schmeckte gut. Es war drei Jahre her, dass er sich erlaubt hatte, zu Hause in der Wohnung zu rauchen. Es war nicht unmöglich gewesen, Maria hatte keine Scharfschützen im Wohnzimmer postiert, aber da war ihre Enttäuschung. Die stumme Ablehnung, die Waffe geräuschloser Vernichtung: der Blick, der so viel besagte, dass nach allen Träumen ihr Leben nun doch so aussah, wie sie es befürchtet hatte. Eine Zeitlang dachte er, dass es ihm nichts ausmachte, auf das Rauchen zu verzichten, um diesen enttäuschten Blick zu vermeiden. Dann kam der Tag, da er sich eingestand, dass es ihm doch etwas ausmachte. Trotzdem rauchte er weiterhin auf dem Balkon, denn wer will schon jeden Abend diesen Stress haben. Also rauchte er weiter draußen und ärgerte sich. Schweigend.
Cherri schnitt Zitrusfrüchte in Scheiben – im Kühlschrank waren frische Zitronen und Limonen bereitgestellt – und garnierte ihren Drink damit. Gin und Tonic Water. Pete konnte es riechen. Sein Geruchssinn war sehr fein. In der Gastronomie brauchte er das auch. Maria trank immer ein Glas guten Chardonnay, seit langem.
Das Mädchen merkte, dass er sie beobachtete, und schaute ihn an.
»Willst du auch?«
Pete lachte. »Klar doch. Aber lass mich noch eine Minute verschnaufen.«
Sie setzte ein professionelles Lächeln auf. »Woran du schon wieder denkst. Ich meine, ob du etwas zu trinken willst?«
»Oh, einen Wodka«, sagte er. »Pur, aber mit viel Eis.« Er wiegte den Kopf. »Und danach läuft noch eine zweite Nummer, das verspreche ich dir.«
»Kann’s kaum erwarten«, sagte sie und begann, den Wodka mit Eis für ihn zu machen.
Pete lächelte. Er hörte ein Geräusch im Hausflur, ein Malocher kam von der Arbeit. Er zog wieder an der Zigarre
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