Engel des Todes
aus San Diego, eine aus San Francisco und weitere irgendwo aus dem Umland, Barstow oder so. Der übergreifende Domainname lautete übrigens ›Daddysgirrls.net‹.«
»Putzig.«
»Wenn er hier in L.A. steckt, schnappen wir ihn uns«, sagte er. »Wenn nicht, kann es überall sein. Ein rascher Zugriff kann den Ausschlag geben.«
»Was liegt jetzt für mich an?«
Monroe schüttelte den Kopf. »Der Beamte, den sie auf den Barmann angesetzt haben, wusste nicht viel zu berichten. Der Mann ist nach Hause gegangen, hat einen Joint geraucht und drei Stunden lang die Wand angestarrt. Dann hat er sich wieder an seine heroische Arbeit gemacht, Bier zu servieren. Nach Ihrem Eindruck und in Anbetracht unserer Erwartungen zähle ich ihn nicht zum Kreis der Verdächtigen. Sie könnten mir einen Anruf ersparen und den Experten in Quantico wegen des Täterprofils zusetzen, aber mal was ganz anderes … haben Sie heute schon gegessen?«
»Nein.«
»Dann würde ich das jetzt tun. Hier irgendwo in der Nähe. Sobald ich etwas höre, sage ich Ihnen Bescheid.«
Vierzig Minuten später war Nina gerade bei einem Salat, als der Anruf kam. Sie fluchte – der Salat war gut und die erste Mahlzeit nach über vierundzwanzig Stunden –, ließ das Geld auf dem Tisch und lief hinaus auf die Straße.
Auf halbem Weg zur Fourth Street in Venice klingelte ihr Handy wieder. Sie fuhr an den Bordstein und hörte Monroes gedämpfter Stimme zu.
»Er ist es nicht«, sagte er. »Er heißt eigentlich Robert Klennert, ist achtundfünfzig Jahre alt und eindeutig übergewichtig. Der Typ ist ein Haufen madiger Scheißdreck und lebt von Internetseiten mit Live-Porno. Er kennt sich mit Computern aus, womit er für die Sache mit der Festplatte in Frage käme, aber andererseits traue ich ihm nicht zu, eine junge Frau aufzureißen und dann umzubringen – oder überhaupt eine Frau, ganz gleich in welchem Alter und in welcher körperlichen Verfassung. Ganz zu schweigen davon, dass er mit der Täterbeschreibung auch nicht annähernd übereinstimmt. Heften Sie ihn unter ›pervers‹ ab, und vergessen Sie ihn.«
»Dann sind wir wieder bei unserer Anfangshypothese: einer von Millionen.«
»Nicht ganz. Das Police Department hat Klennerts Kundenlisten. Jeder, der als Abonnent oder auch nur als Gast seine Internetseiten besucht, wird registriert. Während ich hier mit Ihnen telefoniere, kämmen Beamte seine Rechner durch.«
»Was wirft man ihm vor?«
»Gar nichts. Er ist nur kooperativ. Das Schräge daran ist, dass er väterliche Gefühle für seine ›Mädchen‹ zeigt. Entweder spielt er uns etwas vor oder …« Monroe hielt einen Augenblick inne. »Oder auch nicht. Aber er ist es nicht. Und auch das Musikstück auf der Festplatte ergibt keine Spur. Ich sehe den Fall versanden, Nina. Wenn nicht noch irgendetwas passiert, stehen wir mit leeren Händen da.«
Stimmt, dachte Nina. Oder dir ist klargeworden, was für eine Schinderei es bedeutet, sich durch ein unendliches virtuelles Gespinst kämpfen zu müssen, das du nicht verstehst, und dabei fragst du dich, wie daraus der Stoff für
Die Charles Monroe Story
im Kabelfernsehen entstehen soll.
Sie wünschte eine gute Nacht. Auf der anderen Seite der Straße bog ein Auto in eine Zufahrt, und eine Familie, bestehend aus Vater, Mutter und kleiner Tochter, stieg aus. Die Erwachsenen schienen Streit zu haben.
Nina öffnete ihr Wagenfenster einen Spaltbreit und lauschte. Das kleine Mädchen lachte, und wenig später brachen auch die Erwachsenen in Gelächter aus.
Der Streit war also nur ein Scherz gewesen, man imitierte Leute, die man gerade besucht hatte. Nina erinnerte sich an ihre eigene Kindheit, in der es im Allgemeinen freimütig zugegangen war, allerdings auch mit Ausbrüchen männlichen Zorns. Daher zweifelte sie, ob sie wohl jemals so gelacht hatte wie das kleine Mädchen dort drüben auf der anderen Straßenseite.
Sie schaute dem Mädchen nach, das seinen Eltern den Weg zum Haus hinauf folgte, und dachte, wenn jetzt zur Begrüßung auch noch ein Hundchen mit Schleife aus dem Haus gesprungen käme, müsste sie aussteigen und der kleinen Prinzessin eine runterhauen.
Es kam aber kein Hund. Das Mädchen würde weiter lachen können.
Nina ließ den Motor an und fuhr in Richtung Meer.
9
D as Mädchen war jetzt still. Vorher war sie aufgekratzt gewesen – nett, dich kennenzulernen, das ist ja eine tolle Wohnung, oh, das ist echt super. Jetzt, danach, fiel ihr nichts mehr ein. Vielleicht dachte sie, dass
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