Engel für den Duke
neben ihr im Schnee gekniet hatte.
Ein wenig unsicher erhob sie sich und knickste. „Guten Morgen, Hoheit.“
Er kam auf sie zu. „Guten Morgen, Miss Moran.“ Seine Augen waren von demselben Goldton wie sein Haar, und als er sie musterte, glaubte sie, einen Hauch von Anerkennung darin zu erkennen.
„Sie scheinen sich gut erholt zu haben. Wie fühlen Sie sich?“
„Viel besser, zum Glück. Ich möchte Ihnen noch einmal für meine Rettung danken.“
„Ich versichere Ihnen, es war mir ein Vergnügen.“ Wieder dieser Glanz in seinen Augen, als läge in seinen Worten noch eine andere, tiefere Bedeutung. Ein Gefühl, das sie genoss, während sie seinen Blick auf sich spürte. Und doch würde in ein paar Tagen, wenn er das wunderschöne Geschöpf getroffen hatte, das er heiraten würde, dieser Glanz verschwunden sein.
Lily hob das Kinn. „Ich möchte mit Ihnen sprechen, Hoheit, im Auftrag von Mrs Caulfield und Ihrer zukünftigen Verlobten, meiner Cousine Jocelyn. Ich bin vorausgeschickt worden, um dafür zu sorgen, dass ihr Besuch angenehm verläuft. Sowohl Mrs Caulfield als auch meine Cousine stellen … besondere Ansprüche. Ich bin hier, damit diese Ansprüche erfüllt werden.“
Er runzelte ein wenig die Stirn. „Und Ihre Cousine und deren Mutter glauben nicht, dass mein Personal ihre Bedürfnisse auch allein erfüllen kann?“
Sie hatte ihn verärgert. Das konnte sie von seinem Gesicht ablesen. „Oh nein, das ist es nicht. Wirklich nicht. Bitte, ich wollte Sie nicht kränken. Es liegt nur daran, dass sie bestimmte Gewohnheiten haben. Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, mir einige Ihrer Diener zur Verfügung zu stellen, kann ich sicher alles arrangieren, ehe sie eintreffen.“
„Sie sind Miss Caulfields Cousine, richtig? Ein Familienmitglied also?“
„Eine entfernte Cousine, ja. Die Caulfields waren so freundlich, mich aufzunehmen, nachdem meine Eltern an der Cholera gestorben waren.“ Sie verschwieg, dass dazwischen vier Jahre gelegen und die Caulfields kaum an sie gedacht hatten, bis ihr Onkel sie aufgesucht und um Hilfe gebeten hatte. Dennoch war sie ihnen außerordentlich dankbar. Das war einer der Gründe, warum sie alles dafür tat, um es ihnen recht zu machen.
„Sie sind also eine Waise“, sagte er leise, und einen Moment lang glaubte sie, Tränen zu spüren. Nach all den Jahren noch war der Tod ihrer Eltern ein schwieriges Thema.
„Ich fürchte ja.“
Sein Blick wurde sanfter. „Ich verstehe.“
Und es war ihr sehr peinlich, dass er tatsächlich zu verstehen schien. Dass er erkannte, dass sie nur eine arme Verwandte war, die von der Barmherzigkeit der Caulfields lebte, dass sie vollkommen von deren Wohlwollen abhängig war. Doch das war besser als ein Leben auf der Straße oder in einer Dachkammer, wie sie es zuvor geführt hatte.
„Die Dienstboten sind kein Problem. Sie können über jeden verfügen, den Sie brauchen. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie noch etwas benötigen.“
„Vielen Dank, Hoheit.“
Er sah sie noch einen Moment lang an, als wolle er sie abschätzen, dann machte er kehrt und ging aus dem Zimmer. Kaum war er verschwunden, bemerkte Lily, dass sie den Atem angehalten hatte, und stieß rasch die Luft aus. Ihr Herz schlug viel zu schnell.
Es war lächerlich. Alles war genau so, wie es sein sollte. Der Duke hatte ihren niedrigen Stand erkannt, und sein Interesse galt jetzt allein Jo.
Sie achtete nicht auf den leichten Stich, den ihr diese Erkenntnis versetzte, sondern raffte die Röcke und durchquerte eilends den Salon. Sie musste noch einiges erledigen, wenn alles bis zur Ankunft der Caulfields bereit sein sollte. Sie hatte schon beinahe die Tür erreicht, als eine zerbrechlich aussehende Frau mit silbernem Haar eintrat.
„Sie müssen Miss Moran sein.“ Die Frau lächelte, und auf ihren gepuderten Wangen zeigten sich Falten. „Ich bin Lady Tavistock. Mein Neffe sagte mir, dass ich Sie hier finden würde.“
Lily knickste. „Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Mylady.“
„Ich kam gestern an, als Sie schliefen. Wie ich hörte, hatten Sie einen schrecklichen Unfall.“
„Ja, Mylady.“
„Wie entsetzlich. Mein Neffe sagte mir, Ihre Kutsche wurde von Straßenräubern überfallen und kippte um, und Sie hätten eine Kopfverletzung davongetragen. Ich hoffe, Sie fühlen sich schon besser.“
„Viel besser, danke sehr.“
„Warum setzen wir uns nicht ein wenig ans Feuer? Das Wetter ist scheußlich. Eine Tasse Tee wäre genau das
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