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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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zurück, hob meine Taschenlampe auf und ging die Stufen hinauf. Obwohl ich wußte, daß die Frau mit ihren Kindern mehr Angst vor mir hatte als ich vor ihr - und aus viel besserem Grund -, stand mir doch der kalte Schweiß auf der Stirn. Als die Frau plötzlich den Mund aufmachte, zuckte ich zusammen und hätte fast laut aufgeschrien.
    »Meine Kinder verhungern nicht, Lady. Vielleicht ist das nicht viel in Ihren Augen, aber ich kann für sie sorgen. Ich kümmere mich schon um sie.«

Einem geschenkten Gaul...
    Ich glitt atemlos auf einen Stuhl, als Sonja Malek gerade über die Einnahmen des Frühjahrs berichtete. Marilyn Lieberman, die Geschäftsführerin von Arcadia House, winkte mir zu, und Lotty Herschel hob fragend eine Augenbraue, aber niemand unterbrach die Rednerin. Arcadia House ist wie die meisten gemeinnützigen Unternehmen auf die geringen Subventionen und Spenden angewiesen, die von außen kommen; die Hauptaufgabe des Beirats ist es, Geld aufzutreiben. Die meisten von uns arbeiten schon seit Jahren in den unterschiedlichsten Frauengruppen zusammen. Lotty kenne ich am längsten, seit meiner Studentenzeit, als sie den Frauen in einer Untergrundgruppe zeigte, wie man abtreibt.
    »Die aufregendste Neuigkeit habe ich bis zum Schluß aufgehoben«, meinte Sonja, die feisten Backen rosafarben vor Freude. »Die Gateway Bank hat uns einen Scheck über fünfundzwanzigtausend Dollar geschickt.«
    »Hey, toll!« schloß ich mich den erregten Ausrufen an. »Wie hast du denn das hingekriegt?«
    »Ehre, wem Ehre gebührt.« Marilyn Lieberman klopfte der Frau zu ihrer Linken auf die Schulter. »Deirdre hat eben Connections.«
    Deirdre Messenger zog ein wenig den Kopf ein. Ihre glatten blonden Haare fielen nach vorn und verbargen ihre roten Wangen.
    »Hast wohl den Vorsitzenden von Gateway für einen guten Zweck gebumst, was?« fragte jemand.
    Als die Frauen um sie herum zu lachen anfingen, stieß Deirdre selbst ein kurzes, bellendes Lachen aus, das wenig Begeisterung verriet. »Mir kommt's fast so vor. Eigentlich hat Fabian das gedreht. Er hat ein paar juristische Fragen für sie geklärt... « Ihre Stimme schweifte ab, so daß wir das Gefühl hatten, etwas Unanständiges gesagt zu haben. Anders als die meisten von uns hatte Deirdre keine besondere Fähigkeit, sondern nutzte die betuchten Kontakte ihres Mannes, um die Projekte zu unterstützen, bei denen sie im Beirat saß.
    Sal Barthele, die Vorsitzende von Arcadias Stiftungsbeirat, kam wieder zur Tagesordnung zurück. »Vic, möchtest du jetzt über die Sicherheitsfragen reden? Oder brauchst du noch ein bißchen Zeit, um Atem zu holen?«
    »Nein, nein, ist schon in Ordnung.« Arcadia House ist ein Frauenhaus, und viele Leute glauben, daß wir einen großen Teil unserer Energie darauf verwenden, die Männer der betroffenen Frauen abzuwehren. Aber um die Wahrheit zu sagen: Die meisten sind Feiglinge, die nicht wollen, daß jemand außerhalb der Familie erfährt, was sie daheim machen. In den sieben Jahren unseres Bestehens haben nur drei von ihnen versucht, das Frauenhaus zu stürmen.
    Trotzdem wollen wir natürlich, daß Arcadia eine sichere Zuflucht für Frauen und ihre Kinder ist und bleibt. Vor zwei Wochen war es jemandem gelungen, über die Mauer zu klettern, mit einer Axt auf das Holzspielzeug im Hof einzuschlagen und sich aus dem Staub zu machen, bevor die Frau, die die Nachtschicht hatte, die Polizei rufen konnte. Daraufhin hatte Marilyn Lieberman vorübergehend einen Wachposten angeheuert, aber ich sollte Vorschläge für langfristige Lösungen machen. Keine davon war billig: Man konnte die Ziegelmauer abreißen und eine aus Stahl dafür hinstellen - aber möglicherweise kamen sich die Frauen dann vor, als säßen sie im Gefängnis; man konnte rund um das Frauenhaus Lichtsensoren installieren oder einen permanenten Sicherheitsdienst für die Nacht engagieren.
    Ich hätte am liebsten die Mauer abgerissen. Obwohl die jetzige fast zwei Meter hoch war - mehr erlauben die Bauvorschriften in unserer Stadt nicht -, k onnte man leicht drüber klettern. Und weil sie aus Backstein war, konnte man auch vom Haus aus nicht auf die Straße sehen. Zwar hatten wir eine Videokamera darauf installiert, aber es war ein Kinderspiel, sie auszutricksen. Kurzfristig gesehen war eine neue Mauer jedoch die teuerste Lösung. Die Diskussion wurde ziemlich leidenschaftlich fortgesetzt, bis Sonja Malek auf ihre Uhr sah, entsetzt etwas von ihrem Babysitter murmelte und ihre Unterlagen in

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