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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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daß ich in den Armen eines schwarzen Mannes liegen könnte, aber er bemühte sich redlich, das Leben so zu nehmen, wie es nun mal war.
    »Ich war noch keine Minute allein, seit ich Deirdres Leiche gefunden habe. Es wird Zeit, daß ich raufgehe und ihn anrufe.« Ich winkte ab, als mein Nachbar mir anbot, ich könne sein Telefon benutzen, denn ich wollte endlich ein Bad nehmen. Aber am meisten sehnte ich mich nach dem Alleinsein. Ich gab Mr. Contreras einen Kuß auf die Backe und ließ ihn die Reste der Eier an die Hunde verfüttern. Nachdem ich gebadet hatte, hüllte ich mich in ein Handtuch und setzte mich im Schneidersitz auf meinen Sessel, um in die Luft zu starren. Die Morde in Chicago - und in ganz Amerika - ergeben immer weniger Sinn. Menschen werden erschossen, weil sie nicht schnell genug fahren, weil sie lächeln, wenn sie die Stirn runzeln sollten, weil sie grüne Klamotten tragen, wo doch Gelb in ist. Jemand war in mein Büro gekommen und hatte Deirdre den Kopf eingeschlagen. Und ich wollte einen Sinn darin entdecken. Es wurde allmählich dunkel hinter meinen Wohnzimmerfenstern, und ich konnte mich wie in einem Spiegel darin sehen: eine tropfnasse Raupe in ihrem unordentlichen Kokon. Ich schaltete die Lampe auf dem Tisch ein und rief Conrad an. Er hatte bereits aus drei verschiedenen Quellen von dem Mord gehört, hatte aber gewartet, bis ich selbst in der Verfassung war, ihn anzurufen. »Und Finch hat mir auch schon erzählt, daß ihr nicht im allerbesten Einvernehmen auseinandergegangen seid. Das mußt du mir also gar nicht erst verschweigen, Ms. W. Wie geht's dir?«
    »Ist schon mal besser gegangen. Weißt du schon was von der Spurensicherung? Und hat Terry was gesagt, was er von Fabian Messenger erfahren hat?«
    »Er hat mir nicht gesagt, daß er den Ehemann verdächtigt. Ich denke, er will die Obdachlose finden, die du in dem Haus hast wohnen lassen.«
    »Als Zeugin oder als Hauptverdächtige?« wollte ich wissen.
    »Immer mit der Ruhe, Vic. Ich kann nichts dafür, und ich habe auch keine Meinung dazu ... Wahrscheinlich kann ich dich nicht dazu überreden, daß du dich da raushältst, oder?«
    Ich dachte nach. »Wenn Finchley mit Fabian redet, ich meine, richtig mit ihm redet, und rausfindet, ob er gestern abend im Pulteney war, könnte ich es mir überlegen. Aber versprechen kann ich dir nichts.«
    Conrad hüstelte, was bei ihm immer ein Zeichen von Nervosität war. »Was ist los?« fragte ich.
    »Wenn ich dir das sage, gehst du sicher in die Luft, und das verkrafte ich vor der nächsten Schicht nicht.«
    Ich verzog das Gesicht und sah, wie das Fenster mein Spiegelbild als verzerrte, striemige Grimasse zurückwarf. »Ich verspreche dir, daß ich es für mich behalte, wenn ich in die Luft gehe.«
    »Alec Gantner hat schon mit Finch telefoniert.« »Papa oder Sohnemann?« »Der Senator höchstpersönlich. Er hat gesagt, wie erschüttert er über den Todesfall in der Familie eines so angesehenen Bürgers ist und wie sehr er hofft, daß die Polizei nichts unversucht läßt, um den Mörder zu finden. Du weißt schon, so wird ein Fall draus, für den jede Menge Mittel zur Verfügung stehen, aber die Sache wird zum Alptraum für den zuständigen Beamten. Terry muß die Frau finden, Vic. Er wird sie nicht überrollen, aber sie ist die einzige, die möglicherweise was gesehen hat gestern abend. Wenn du weißt, wo sie steckt, dann rück bitte raus mit der Sprache. Du brauchst wirklich nicht glauben, daß du sie vor der Brutalität der Polizei schützen mußt.« Ich rieb mir die Stirn und sagte nichts, bis Conrad wieder hüstelte und mir bewußt wurde, daß er wahrscheinlich dachte, ich sei auf hundertachtzig.
    »Ich bin nicht wütend, Conrad. Nur verblüfft. Warum sollte ein Senator der Vereinigten Staaten ... ach so, wahrscheinlich, weil Fabian scharf ist auf eine Stelle als Bundesrichter. Aber ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist, daß ich nicht weiß, wo Tamar Hawkings steckt.« »Ich wünschte, ich könnte dich persönlich sehen«, brummte er. »Du kennst tausend Wege, die Wahrheit zu verdrehen, aber wenn ich dein Gesicht sehe, weiß ich Bescheid.« Das brachte mich zum Lachen. Vor dreißig Minuten hätte ich das noch für unmöglich gehalten. »Das ist die Wahrheit und nichts als ... ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt gerade ist, im Loop oder in Uptown oder; vielleicht sogar wieder an der Southwest Side... Ach, ja - ich glaube, ihr wißt das noch nicht -, sag Finchley doch, daß ihr Mann schon

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