Engel im Schacht
festzustellen, ob wir so etwas Erhellendes über den Mord rausfinden können.«
Jetzt war es an mir, ein finsteres Gesicht zu machen. »Besorgt euch einen Haussuchungsbefehl, dann könnt ihr meine Akten einsehen. Aber darauf kannst du Gift nehmen: Nur über meine Leiche. Ihr könnt nicht beweisen, daß meine Arbeit mit Deirdre Messengers Tod zu tun hat.«
»Möglicherweise schon. Wenn du deine Daten auf der Festplatte löschst, bevor die Polizei den Computer mitnehmen kann ... «
»Ihr habt meinen Computer mitgenommen? Und so erfahre ich davon? Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt damit. Und ihr untersucht ihn auf Fingerabdrücke - ich stelle mir lieber nicht vor, was das Pulver auf meiner Tastatur anrichten wird.«
»Auch nichts Schlimmeres als das Gehirn, das schon drauf gelandet ist«, fiel Finchley mir ins Wort. »Außerdem wollen wir das Ding ja nicht behalten. Die Leute von der Spurensicherung haben schon gesehen, daß der Computer abgewischt ist, da hat es nicht sonderlich viel Sinn, ihn zu behalten. Wir bringen ihn am Montag zurück. Ich würde gern wissen, wo deine Sicherungskopien geblieben sind.« Ich starrte ihn ausdruckslos an.
Deirdres Mörder hatte also meine Informationen gelöscht. Sonst konnte sich niemand dafür interessieren, denn in letzter Zeit hatte ich in anderen Fällen keinerlei belastendes Material gefunden. Es sei denn, die Sache hatte mit Lamias Problemen zu tun und Deirdres Mörder wollte keinerlei Risiko eingehen ...
»Was ist mit den Disketten?« fragte ich schließlich Terry. »Alles, was ich in letzter Zeit gemacht habe, ist da drauf.«
»Wir haben keine Disketten gefunden.«
Ich atmete tief durch und versuchte, Ordnung in meine wirren Gedanken zu bringen. Natürlich sichere ich meine Daten jedesmal, wenn ich den Computer benutze. Und dann stecke ich die Diskette in die Tasche. Das Pulteney zwang mich zu dieser Vorsichtsmaßnahme. Ich machte die Augen zu, versuchte, mich daran zu erinnern, was ich am vergangenen Abend als letztes getan hatte. Hatte ich eine Kopie gemacht? Hatte ich die Diskette mitgenommen oder nicht? In meiner Eile, Deirdre loszukriegen, hatte i ch das vielleicht vergessen.
»Na, Vic? Soll ich mir jetzt einen Haussuchungsbefehl für deine Wohnung holen? Oder hast du die Sachen Dr. Herschel oder deinem Anwalt geschickt?«
Ich hatte Finchley noch nie so voller Verachtung erlebt. Zorn stieg in mir auf. Ich ballte die Fäuste in den Taschen meiner Jeans und beherrschte mich, um mich nicht auf ihn zu stürzen. Aber man kam nicht weit, wenn man einen Bullen verdrosch. »Versuch das mal, Detective. Versuch's, dann wirst du ja sehen, wer dir in Zukunft bei deinen Fällen hilft.« Ich zitterte vor Wut, und in meiner Stimme schwang plötzlich ein heiseres Tremolo.
Auf dem Weg nach draußen stieß ich einen Stuhl mit dem Fuß weg und schlug die Tür hinter mir zu. Ich marschierte die eineinhalb Kilometer zum Pulteney mit einer unsäglichen Wut im Bauch über Finchleys Benehmen und den Verlust meiner Unterlagen. Die Einkommensteuererklärung war in elf Tagen fällig, fiel mir plötzlich ein. Wie sollte ich meine Einkünfte des vergangenen Jahres aus dem Chaos in meinem Büro rekonstruieren?
Als ich die Monroe Street überquerte, ließ mein Zorn ein wenig nach, statt dessen machte sich so etwas wie Depression breit. Meine Beziehung mit Conrad war ohnehin schon alles andere als einfach. Und eine Auseinandersetzung mit Terry Finchley würde sie mit Sicherheit nicht leichter machen.
Ich hoffte, daß Terry mir meinen Computer tatsächlich am Montag zurückschicken würde - denn bei der Polizei entwickeln elektronische Geräte die merkwürdige Neigung zu verschwinden. Ich schnaubte verächtlich: Zum Glück hatte ich Gabriellas alte Olivetti nicht weggegeben, als ich auf den Computer umgestiegen war. Ich hatte sie in meine Wohnung mitgenommen, weil ich die wenigen Erbstücke meiner Mutter nicht einfach wegwerfen wollte.
Ich marschierte mit vorgerecktem Kinn ins Pulteney - bereit, es mit jedem Bullen aufzunehmen, der vielleicht dort Wache schob. Aber nachdem sie das Gebäude nach Tamar abgesucht hatten, hatten sie offenbar beschlossen, niemanden dort zu postieren. Die einzige Spur, die sie hinterlassen hatten, war eine Tüte von McDonald's, die einer von ihnen in einer Ecke des Foyers abgestellt hatte. Bevor sie gegangen waren, hatten sie das Treppenhaus abgesperrt, aber ich hatte meine Schlüssel. Also ging ich hinauf in den dritten Stock und erbrach das Polizeisiegel
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