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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Schätze wieder in Ordnung. Keine Sorge, ich mach' nichts kaputt. Aber zuerst mach' ich Ihnen einen schönen heißen Tee. Haben Sie schon was zu Mittag gegessen? Wollen Sie ein paar Spiegeleier?«
    »Geben Sie mir doch bitte den Bilderrahmen.« Ich setzte mich auf das durchgesessene Polster und versuchte, einer kaputten Feder auszuweichen. »Gehen Sie vorsichtig damit um. Vielleicht kann ich den Rahmen noch reparieren.«
    »Keine Sorge, Kleines. Ich sehe schon, daß der Ihnen wichtig ist. Machen Sie einfach die Augen zu und überlassen Sie alles andere mir.«
    Ich konnte dem alten Mann gar keine größere Freude machen, als ihm das Gefühl zu vermitteln, daß ich ihn brauchte. Ich lehnte mich in dem Sessel zurück. Er roch muffig, aber nach dem morgendlichen Trauma war ich zu müde, um darauf zu achten. Im Gegenteil: Der Geruch wirkte sogar beruhigend auf mich, als umarme mich der alte Mann selbst.
    Mitch hatte mich noch immer nicht ausreichend begrüßt. Also drückte er seinen riesigen schwarzen Kopf jetzt gegen meine Beine. Als ich darauf nicht reagierte, rannte er zum Sofa, holte ein Seil mit Knoten, begann es in die Luft zu werfen und es anzuknurren, in der Hoffnung, mich zum Tauziehen zu animieren. Seine Mutter Peppy bellte ihn einmal an und versuchte, ihn zur Räson zu bringen. Da sie meine Stimmung erspürte, ließ sie sich neben dem Sessel nieder und leckte meine Hand, die über die Armlehne hing.
    »Ist schon gut, altes Mädchen«, meinte ich. »Heut war einfach zuviel los. Aber das eine sag' ich dir: Wenn dein doofer Sohn den Bilderrahmen so kaputtgemacht hat, daß man ihn nicht mehr reparieren kann, ziehe ich ihm das Fell über die Ohren. Warum hast du bloß ein solches Monster in die Welt gesetzt? Warum keinen wohlerzogenen Hund wie dich selbst?«
    Peppy leckte meine Hand heftiger, was ich als Zustimmung deutete. »Ich sehe einfach keinen Sinn in Deirdres Tod. Nicht, daß Mord jemals Sinn ergeben würde, aber warum bringt er sie um und löscht dann meine Daten? Wenn jemand mich wegen der Daten killen wollte, hätte er gewußt, daß das nicht ich war in dem Büro. Aber wenn jemand tatsächlich sie töten wollte, dann hatte er doch keinen Grund, meine Daten zu löschen.«
    Peppy hörte auf, mich zu lecken und setzte sich mit aufmerksamem Blick hin. Ich streichelte eins ihrer Ohren. Vielleicht hatte jemand Angst gehabt, daß ich in einem Fall zuviel herausfand, und war gekommen, um meine Daten zu löschen. Und dann hatte er Deirdre in meinem Büro überrascht und umgebracht, um seine Spuren zu verwischen. »Lächerlich«, erklärte ich Peppy. »Ich hab' in letzter Zeit wirklich nichts Brisantes gemacht. Das einzige waren meine Fragen über die Century Bank, aber damit habe ich erst gestern angefangen. Natürlich hat sich Eleanor Guziak über meine Fragerei aufgeregt, aber ich glaube nicht, daß sie so schnell einen Killer angeheuert hat.« Außerdem war es lächerlich zu glauben, daß eine Bankmanagerin überhaupt auf den Gedanken kam, einen gedungenen Mörder zu beauftragen.
    »Was ist los, Kleines?« meinte Mr. Contreras, als er ins Zimmer geschlurft kam. »Ach so, Sie reden mit dem Hund. Machen Sie sich mal keine Sorgen um Ihren Bilderrahmen. Er ist zwar an den Ecken gebrochen, aber das kann man kleben. Es fehlen nur ein paar kleinere Splitter. Ich kenne einen Schreiner, der macht Ihnen den wie neu. Sie brauchen nur was zu sagen.«
    Ich schaute mir die Kerben in dem dunklen Holz an. Ja, ich würde Mr. Contreras' Freund den Auftrag geben, den Rahmen zu reparieren, aber ich wußte, daß ich ihn nie wieder ohne Trauer anschauen könnte.
    Der alte Mann trippelte in die Küche, um Tee zu machen, und kam mit einer Tasse zurück. Während ich das süße, schwarze Gebräu trank, briet er Eier mit Speck. Der Geruch erinnerte mich daran, daß ich mein Frühstück schon vor sieben Stunden eingenommen und zudem nicht behalten hatte.
    Mr. Contreras rückte ein Fernsehtischchen neben den Sessel und fütterte mich wie ein Storchenvater. Während ich eine zweite Tasse Tee trank, erzählte ich ihm das, was er noch nicht im Radio gehört hatte. Ich ließ auch Terry Finchleys Drohung nicht aus, meine Wohnung zu durchsuchen.
    Mein Nachbar reagierte angemessen entrüstet. »Er hat nicht den geringsten Grund, so rüde zu sein, Kleines ... Haben Sie Conrad schon davon erzählt?« Ich drückte die Hand des alten Mannes. Die Eifersucht, die er gegenüber jedem meiner Freunde empfand, verstärkte sich noch durch die Vorstellung,

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