Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
die beiden, mir waren sie fremd, doch bestand eine große Ähnlichkeit zwischen allen dreien, weshalb ich annahm, dass sie zur Familie gehörten und erschienen waren, um ihm auf seiner Reise Beistand zu leisten. Und natürlich waren jede Menge Engel anwesend. Alices Vater fuhr hinauf ins Licht, gemeinsam mit den Geistwesen und den Engeln, die ihn die ganze Zeit sanft festhielten. Ich sah, wie sie alle hinaufglitten, inmitten der Engelschar auf diesem wundervollen Lichtstrahl, unter Gesang und der himmlischen Musik. Alices Vater und seine beiden Verwandten hielten wohl einen Moment lang inne, er blickte noch einmal zurück nach unten.
Die Zeit hatte für mich stillgestanden; mit einem Mal war das Haus wieder intakt und die Himmelsleiter verschwunden. Alices Mutter stand in der Haustür und rief nach ihren Kindern. Sie spielten alle im Vorgarten, nur ich war im rückwärtigen Teil und schaukelte still. Sie sah durch mich hindurch, als nähme sie mich gar nicht wahr. Dann wandte sie sich ab und nahm den Weg durch die Seitentür in den Vorgarten. Ich saß auf dem Schaukelbrett und wusste, welch traurige Nachricht Alice und ihre Geschwister erwartete. Ich fühlte mich einsam und traurig, darum fragte ich die Engel: »Wird der Vater denn zurückkommen können, um sie alle zu trösten – wenigstens für eine Weile? Hauptsächlich, um Alice zu trösten, die ihn so sehr liebt und die ihn so schrecklich vermisst hat, als er fort war.«
Die Engel antworteten: »Ja, er wird schon bald zurückkommen und kurze Zeit bei seiner Familie bleiben können. « Daraufhin war mir schon ein wenig leichter zumute, ich machte einen tiefen Atemzug, hopste von der Schaukel und meinte zu den Engeln: »Ich gehe jetzt wohl besser heim.«
Als ich ging, drang das Schluchzen von Alices Familie durch die Fensterscheiben nach draußen. Ich benutzte
die Seitentür, um zu uns nach Hause zu kommen. Es war aber keiner da – Mam war schon über die Straße zu Alices Mutter gelaufen, um ihr Trost zu spenden.
Das war einer der traurigsten Tage in meinem noch so jungen Dasein: Hatte ich doch immer geglaubt, Väter und Mütter würden ewig leben.
KAPITEL 4
Warum versteckst du dich vor mir ?
Eines Tages kam mein Vater mit einem schönen, leuchtend rot lackierten Auto nach Hause. Auf mich wirkte es riesig, aber vielleicht nur deshalb, weil ich selbst so klein war. Er hatte es von einem Freund geborgt, weil wir – zum ersten Mal in meinem Leben – in den Urlaub fahren würden! Die Berge von Gepäck wurden auf dem Wagendach festgezurrt und meine ganze Familie, mit allen sieben Kindern, fand irgendwie im Inneren Platz. Wir wollten zu meiner Großmutter nach Mountshannon im County Clare fahren, das rund 170 Kilometer von uns entfernt war. Die Reise dauerte den ganzen Tag, doch ich genoss jeden einzelnen Moment davon. Vor Begeisterung über die Aussicht drückte ich mir die Nase an der Scheibe platt. Wir hielten unterwegs immer wieder an und legten eine kleine Pause ein; wenn wir Glück hatten, gab es Eiskrem für uns.
Dies würde auch das erste Mal sein, dass ich den Eltern meines Vaters begegnete. Sie lebten in einer Jugendherberge, denn meine Oma war dort die Herbergsmutter. Ich weiß noch, wie wir damals ankamen: Wir fuhren zuerst durch ein großes, hohes Tor und einen alten Bogen. Dann gelangten wir in einen Hof und von dort aus unter einem kleineren Bogen hindurch in einen weiteren Hof. Vor uns erhob sich ein gewaltiges altes Haus, umrundet von großen Schuppen, die ihrerseits wie Häuser wirkten. Meine Großmutter erzählte mir später, das seien die Stallungen und Remisen, wo in alten Zeiten Pferde und Kutschen untergebracht waren.
Mein Vater parkte den Wagen und wir purzelten alle heraus. Staunend stand ich vor dem Haus. Wir traten ein und ich wurde meinen Großeltern präsentiert. Mein Großvater hatte ein Holzbein, das echte hatte er der Familiengeschichte nach im irischen Unabhängigkeitskampf eingebüßt. Meine Großeltern hatten sehr wenig Geld, doch mein Opa besaß ein wundervolles altmodisches Auto, das innen seiner Behinderung entsprechend umgebaut worden war. An unserem ersten Abend zeigte er mir ein aus dem Nest gefallenes Schwalbenjunges, es wohnte in einer Schuhschachtel und wurde von Großvater mit einer Pipette gefüttert. Er hatte auch Vogeleier gefunden und hielt sie warm, in der Hoffnung, es würden Junge ausschlüpfen. Mein Opa wirkte kraftlos, er ging gebeugt – und gleich am ersten Abend fiel mir noch etwas auf: Das Licht um
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