Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
als bei seinem Fortgehen. Aber tatsächlich sah er so jung aus, und das war er ja auch: ein Mann von Anfang Dreißig. Überglücklich rannte ich die Treppe hinunter und überbrachte Mam die frohe Neuigkeit. Ich versteckte mich hinter ihr, als sie die Tür zu Vaters Willkommen öffnete. Was waren wir glücklich an diesem Tag!
Mein Vater musste sich nun zu Hause wieder auf Arbeitssuche begeben, doch als Erstes nahm er sich den Garten vor und alle halfen mit. Ich bin meinem Vater immer sehr gerne zur Hand gegangen und die Gemüsegärtnerei lag mir besonders: Ich jätete das Unkraut
ringsherum und bat die Engel, das Wachstum unserer Pflanzen zu unterstützen. Ich wünschte mir verzweifelt, mehr tun zu können – doch was will man denn schon groß alleine ausrichten, wenn man noch so klein ist? Oft weinte ich vor Enttäuschung, weil ich nicht imstande war, mehr zu leisten, war aber stets darauf bedacht, dass mich niemand beobachtete, wenn ich mich hinter dem Geräteschuppen verkroch.
Ich spielte viel mit den zahlreichen Kindern der Nachbarsfamilie von gegenüber in unserer Sackgasse. Mit Alice, der mittleren Tochter, freundete ich mich besonders an, sie war etwa gleich alt wie ich. Ihr Vater arbeitete hauptsächlich in England, ihre Mutter rackerte schwer im und ums Haus herum. Der Vater kam nur alle paar Monate heim. Und eines Tages weihten mich die Engel ein, es werde bald das letzte Mal sein, denn er werde in den Himmel fahren.
Ich war sehr traurig. Alles veränderte sich: Ich mochte nicht mehr hinübergehen und mit den anderen zusammen im Garten spielen. Ich zog mich zurück, tat aber mein Bestes, um es niemanden merken zu lassen, vor allem Alice nicht. Einige Zeit später sagten mir die Engel: »In ein paar Tagen werden wir dich auffordern, zu Alices Familie hinüberzugehen, und du wirst auch gehen.«
Drei Tage später war es dann so weit. Ich holte tief, tief Luft und trat aus unserer Tür, lief geradewegs die Straße hinunter, ging durch die Seitentür von Alices Haus nach rückwärts und klopfte an die Küchentür. Ihre Mutter öffnete mir. Ich blickte mitten in die Küche, es schien mir dort dunkler als sonst zu sein. Alice und einer ihrer Brüder waren da, sie wandte sich um und lächelte mich breit an. Ich setzte nur ein paar Schritte in die Küche hinein, weiter wollte ich nicht gehen. Alice berichtete begeistert, ihr Vater werde nun für immer nach Hause zurückkehren,
er habe endlich eine Stellung in Irland gefunden. Sie war ganz aufgeregt. Und ich fühlte mich so zwiespältig – einerseits war ich glücklich für sie, doch tief im Inneren weinte mein Herz. Ich wusste, dass ihre Eltern schon seit langem sehr auf eine Arbeit in Irland gehofft hatten, damit der Vater endlich wieder ganz zu ihnen würde heimkommen können. Und nun hatte er eine Stelle, würde aber nicht lange genug leben, um sie antreten und sich darüber freuen zu können. Ich bat Alice, mich zum Spielen zu uns zu begleiten, weil ich nicht länger in ihrem Haus bleiben mochte.
Am selben Tag noch ging ich in die Kirche, setzte mich vor den Altar und suchte die Verbindung zu Gott. Ich fragte ihn, ob er nicht doch eine Möglichkeit fände, Alices Vater nach Hause kommen und hier auf der Erde bleiben zu lassen.
Am Tag der Rückkehr ihres Vaters herrschte großer Jubel bei Alices Familie – und ich war glücklich für sie. Ein paar Tage nach diesem freudigen Ereignis saß ich bei ihnen auf der Schaukel – im Garten hinter dem Haus, die anderen Kinder spielten vorne. Plötzlich veränderte sich etwas am Himmel und ich hörte die Stimme eines Engels zu mir sagen: »Dreh dich um und öffne deine Augen.«
Als ich mich dem Haus zuwandte, erblickte ich einen unglaublich hellen Lichtstrahl: Er kam direkt aus dem Himmel – und darauf lauter Engel! Ich nannte diese phantastische Erscheinung »Die Himmelsleiter«. Der wundervolle Anblick, begleitet von herrlichem Gesang und Musik, verschlug mir den Atem. Ich wollte darauf zugehen, doch dann blieb ich auf meiner Schaukel sitzen und wiegte mich sachte vor und zurück.
Der Lichtstrahl drang geradewegs durch das Dach und schien das ganze Haus einzuhüllen. Plötzlich war es, als verschwänden die Außenwände des Hauses und ich konnte hineinschauen, auch ins Schlafzimmer, wo Alices Vater in seinem Bett lag. Seine Frau versuchte ihn zu wecken. Sein Körper lag dort, doch sein Geist war woanders
– er stand zusammen mit zwei anderen Geistwesen am Fußende des Bettes. Nach meinem Empfinden kannte er
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