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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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kann sich plötzlich nicht mehr erinnern. Die Zirkusartisten scheinen ihre angestammte Manege verlassen zu haben und jetzt tolle Sprünge in Karolines Kopf zu vollführen. Ein Looping und gleich im Anschluss einen gewagten Seiltanz. Alles auf ihren Nerven, die ebenso gespannt sind wie die Drahtseile im Zirkus. Und die Artisten in Karolines Kopf sind auch keine Erwachsenen, sondern Kinder, kleine Mädchen wohlgemerkt, etwa so alt wie ihre drei Schwestern aus dem Watthaus.
    Mein Haus, das hat drei Mädchen, drei Mädchen hat mein Haus.
    Und hätt es nicht drei Mädchen, dann wär es nicht mein Haus.
    Nicht singen, nicht nachdenken. Schön bei der Sache bleiben.
    »Die Nachmittagsvorstellungen beginnen um 15.00 und um 17.00 Uhr. Außerdem gibt es noch eine am Abend um 19.30 Uhr.«
    »Danke.«
    »Gern doch. Und viel Spaß im Zirkus!«
    Wenn nur die Mädchen in Karolines Kopf nicht wären. Sie führen ihre Kunststücke vor, und dabei singen, hüpfen und tanzen sie, als sei nichts geschehen, als schwebten sie nicht in höchster Gefahr.
    Mann, du hast das Kind gestohlen,
    gib es wieder her, gib es wieder her,
    sonst wird dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr.
     
    Seine große, lange Flinte
    schießt auf dich den Schrot, schießt auf dich den Schrot,
    dass dich färbt die rote Tinte, und dann bist du tot.
    Das Radio läuft leise im Hintergrund. Es kann sich kaum durchsetzen gegen das Lachen, Rufen und Fragen der Kurgäste. Sogar die Stimme des Nachrichtensprechers hat es schwer, dagegen anzukämpfen, doch Karoline gelingt es, einige Wortfetzen zu erhaschen. »Vermisst«, »sachdienliche Hinweise« und die Telefonnummer der Polizeieinsatzzentrale versteht sie.
    Ist wieder ein Mädchen verschwunden? Nein, das kann nicht sein, es waren doch nie mehr als drei Schwestern im Haus. Gerade verliest der Nachrichtensprecher eine Personenbeschreibung. Karoline dreht sich um und stellt das Radio lauter. Die Touristen gucken verstört. Niemand erwähnt ihnen gegenüber die entführten Mädchen. Karoline hätte das Radio besser ganz ausschalten sollen, aber jetzt ist es zu spät.
    »Die Vermisste ist etwa dreißig Jahre alt, ein Meter fünfundsechzig groß, hat schulterlange hellblonde Haare, die sie meist zu einer sogenannten ›Banane‹ am Hinterkopf hochgesteckt trägt. Sie ist schlank und hat blaue Augen.«
    Die Hexe, erkennt Karoline. Jetzt suchen sie nach ihr.
    »Hören Sie mal, junge Frau, geht’s hier vielleicht mal weiter?«
    Die Stimme ist sehr leise, denn eine vertraute Melodie drängt sich in den Vordergrund. Karoline summt mit. Dann kommen die Worte wie von selbst.
    Mädchen in der Grube, saß und schlief, saß und schlief.
    Liebes Mädchen bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst?
    Mädchen hüpf. Mädchen hüpf …
    »Hallo! Ich rede mit Ihnen.«
    »Ja, natürlich. Moment bitte, ich muss nur gerade das Radio ausschalten.«
    Aus dem Apparat ist die Melodie jedenfalls nicht gekommen, denn der Nachrichtensprecher redet immer noch. »Foto im Internet unter …«, hört Karoline gerade, dann dreht sie dem Sprecher die Luft ab. Karoline braucht kein Foto, sie weiß auch so ganz genau, wie die blonde Hexe aussieht. Und sie weiß, dass sie ihren Schwestern helfen muss. So schnell wie möglich. Sie muss das Watthaus verteidigen.
    Drei kleine Mädchen mit dem Kontrabass
    saßen auf der Straße und erzählten sich was.
    Da kam die Polizei: »Ja was ist denn das?«
    Drei kleine Mädchen mit dem Kontrabass.
    Als die Tür des Kurhauses aufgeht und Doreen erscheint, ist Karoline unendlich erleichtert. Doreen hat eine dicke Backe und nuschelt ein wenig beim Sprechen, aber das ist Karoline egal. Jetzt muss die Kollegin den Laden übernehmen. Nur für eine Stunde, nur bis Karoline im Watthaus gewesen ist und nach dem Rechten gesehen hat.
    »Bis zur Mittagspause bin ich wieder zurück. Versprochen!«
    Doreen nickt und reibt sich die betäubte Wange.
    Draußen ist es schwül und trüb, die Sonne steht hinter einem weißen Schleier, der ihre Strahlen schluckt, aber die Hitze durchlässt. Karoline beginnt schon nach wenigen Metern zu schwitzen, trotzdem verfällt sie bald in einen trabenden Schritt. Nur schnell das Watthaus erreichen, schneller sein als die Hexe, schneller auch als alle anderen. Vor allem schneller als dieser Mann im Cabrio, nach dem die ganze Insel sucht und der es zweifellos auf ihre kleinen Schwestern abgesehen hat.
    Ein Mädchen liegt im Walde, ganz still und stumm,
    es hat vor lauter Purpur ein

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