Engel sterben
hättest du Angst.«
Sie nickt.
»Du würdest dich küssen lassen, nehme ich an, aber du hättest Angst.«
Wieder nickt Silja.
Bastian streicht ihr noch einmal mit den Fingern über die Wange. Als er seine Hand wegziehen will, hält Silja sie fest und sieht ihn forschend an.
»Du findest mich nicht lächerlich?«
»Nein. Überhaupt nicht. Das, was du sagst, und das, was du tust, diese beiden Dinge passen sehr gut zueinander …«
Er stockt einen Moment, als wolle er noch etwas hinzufügen, doch dann überlegt Bastian Kreuzer es sich anders. Er dreht die Hand, die immer noch auf Siljas Wange liegt, und greift mit ihr nach Siljas Hand, zieht sie an seine Lippen und küsst ihren Handrücken.
»So weit okay?«
Sie nickt lächelnd und weist auf einen Herrn, der in Begleitung seines Setters eben das Haus Nummer 19 verlassen hat.
»Was wird der jetzt wohl von uns denken?«
»Dass Frau Manthey Besuch von einem äußerst wohlerzogenen Pärchen bekommt, nehme ich an. Und jetzt los, schöne Frau, wir haben schließlich noch einen Job zu erledigen.«
Die beiden Ermittler verlassen gleichzeitig den Wagen, nicken dem Herrn mit dem Setter zu und klingeln anschließend bei Frau Manthey. Die Tür springt fast sofort auf, als habe Fred Hübners Vermieterin den zweiten Besuch der Beamten bereits ungeduldig erwartet.
»Oh, hallo, Frau Manthey. Sie sind aber schnell.«
»Hallo, Herr Kommissar. Haben Sie etwas vergessen?«
»Könnte man so sagen. Darf ich vorstellen, meine Kollegin, Kommissarin Silja Blanck.«
»Ich wollte gerade raus.« Gisela Manthey zeigt auf ihren Einkaufsbeutel. »Milch und Obst besorgen, bevor es allzu heiß wird. Aber kommen Sie nur herein, so dringend ist mein Einkauf nun auch wieder nicht.«
»Nicht nötig, Frau Manthey. Wir wollen Sie nicht aufhalten. Und wir müssen es auch gar nicht. Es geht noch einmal um den Herrn Hübner, das können Sie sich wahrscheinlich schon denken.«
»Er ist nicht da.«
»Wir müssen trotzdem noch einmal in seine Wohnung.«
Bastian Kreuzer nestelt an der Brusttasche seiner dünnen Jacke, als wolle er einen neuen Durchsuchungsbefehl herausholen, während Silja Fred Hübners Vermieterin vertrauensvoll lächelnd ins Gesicht blickt. Sie weiß genau, dass es in Kreuzers Brusttasche nur das zusammengefaltete Fax einer Kieler Klinik gibt, in dem sich ein eifrig bemühter Arzt über Kopf- OP s auslässt. Informativ, aber in der Sache wenig hilfreich. Oder doch?
Schon bevor Bastian das Papier aus der Tasche gezogen hat, winkt Gisela Manthey ab.
»Ach, lassen Sie nur stecken. Ich glaube Ihnen auch so.«
Eilfertig holt sie den Schlüssel zu Fred Hübners Behausung aus einer Schublade und reicht ihn dem Ermittler.
»Sagen Sie, Frau Manthey, Sie wissen nicht zufällig, wann Fred Hübner heute früh das Haus verlassen hat? Ich habe eigentlich gedacht, wir treffen ihn noch an. Er wirkt nicht unbedingt wie ein Frühaufsteher.«
Gisela Manthey schüttelt den Kopf.
»Wieso verlassen? Er war doch gar nicht hier. Seit, warten Sie mal, seit zwei Tagen habe ich ihn nicht mehr gesehen. Vorgestern Abend war noch Licht in seinem Fenster. Und in der Nacht habe ich das alte Fahrrad klappern hören. Am nächsten Tag bin ich sogar nachschauen gegangen, ob er wohl zurückgekommen ist. Bei seinem Alkoholkonsum weiß man ja nie.«
»Und? War er da?«, erkundigt sich Kreuzer, obwohl er die Antwort genau kennt. Schließlich hat Hübner diesen Tag in der Arrestzelle verbracht.
»Nein, war er nicht. Und er ist auch in der letzten Nacht nicht hier gewesen.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut.«
»Sie haben wieder nachgesehen?«
»Na ja, ich hatte ein bisschen Angst um meine Miete. Ich meine, wenn der jetzt ganz verschwindet, dann möchte man das als Vermieterin natürlich nicht als Letzte erfahren.«
»Verstehe.«
Kreuzer wechselt einen langen Blick mit Silja Blanck. Es ist nicht der erste, seit sie das Polizeigebäude in Westerland verlassen haben. Aber es ist der erste Blick, der nur beruflich motiviert ist. Silja räuspert sich, bevor sie das Wort ergreift.
»Nur damit wir das richtig verstehen, Frau Manthey. Sie sind sich also sicher, dass Fred Hübner die letzte Nacht nicht in dem Haus da hinten auf Ihrem Grundstück verbracht hat? Er könnte schließlich auch spätnachts erst gekommen sein …«
Gisela Manthey seufzt. »Ach, wissen Sie, als alleinstehende Frau hat man ja viel Zeit, und wenn dann so ein schräger Vogel wie der Hübner unglücklicherweise schon mal bei einem
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