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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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konzentrieren könnte. Tief atmet Fred Hübner die Nachtluft ein und stößt sie im Rhythmus seiner Tritte wieder aus.
    Rechts der Flughafen ist hell beleuchtet. Links die Wohngebiete zwischen Westerland und Wenningstedt liegen im Dunkeln. Vorn nähert sich die große Kreuzung mit dem Abzweig nach Braderup. Ein später Bus brettert über die Straße und wirft an der Wenningstedter Haltestelle eine einsame Figur auf den Asphalt. Torkelnd überquert der Nachtschwärmer den Radweg und bringt Fred ins Straucheln.
    »Hey, Kumpel, pass doch auf, wo du hinläufst.«
    »Lass mich in Ruhe sterben, Alter.«
    Schwankend verschwindet die Figur in der Nacht.
    Abrupt bremst Fred sein Fahrrad.
    Der Tod. Die Unfälle, die Kreuzung.
    Federn überall.
    Tote Engel, so stand es damals in der Presse.
    Fred spürt, wie sein Herz hämmert. Wie viele Kilometer sind es von Westerland nach Wenningstedt? Egal, für seine bescheidene Kondition sind es entschieden zu viele. Wenn er nicht mit einem Herzkasper auf der Strecke bleiben will, sollte er eine Pause machen. Und zwar genau hier, an dieser Kreuzung, die es auch vor dreißig Jahren schon gegeben hat, nur dass man damals nach rechts abbiegen musste, wenn man aus Kampen kam und nach Westerland wollte. Mit steifen Beinen lässt sich Fred auf die Bank an der Bushaltestelle sinken. Jetzt wäre ein Ermunterungsschluck doch ganz angebracht. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?
    Als wenig später ein dunkler Wagen auf den Parkplatz des Supermarktes gegenüber einbiegt und dort anhält, ist Fred sicher, dass die Polizei ihm gefolgt ist. Logisch. Die werden ihn doch nicht einfach freilassen. Sie haben ihn weiter unter Verdacht und denken, er wird sich jetzt verraten. Sollen Sie. Fast amüsiert blickt er dem durchtrainierten Kerl entgegen, der zielstrebig auf seine Bank zuläuft und sich neben ihm fallen lässt.
    »Hallo, auch nichts zu tun?«, grüßt Fred lässig.
    Der andere antwortet nicht.
    »Also, wenn ich so ein schickes Auto hätte, würde ich mich nicht auf diese miesen Busse verlassen wollen. Und dazu noch mitten in der Nacht.«
    Schweigen.
    »Hey, Mister, jetzt seien Sie mal nicht so arrogant! Wenn wir schon zusammen hier verrecken müssen, dann können wir uns die Zeit durchaus mit einer gepflegten Unterhaltung versüßen.«
    Fred spürt, wie die gesammelte Wut über die unverschämte Behandlung bei der Polizei in ihm aufsteigt. Und jetzt hängen sie ihm auch noch so einen schnöseligen Typen an. Mit einem Ruck wendet er dem Kerl seinen ganzen Körper zu und bemüht sich, dessen Gesichtsausdruck in der Dunkelheit zu erkennen.
    Aber dann muss Fred Hübner dreimal hinschauen, bis er glauben kann, was er sieht.
    Der Mann weint.
    Dicke Tränen kullern ihm über die Backen und tropfen auf das Streifenhemd. Seine Augen starren ins Leere.
    Fred fehlen die Worte. Nur eines weiß er plötzlich genau. Ein Bulle in Zivil ist das ganz bestimmt nicht.

Dienstag, 28. Juli, 8.42 Uhr,
Kriminalpolizei Westerland
    Hektisch läuft Sven Winterberg den Gang vor seinem Dienstzimmer entlang. An der Treppe stößt er fast mit Silja Blanck zusammen.
    »Hoppla. Wo kommst du denn her?«
    »Wo soll ich schon herkommen? Bin ganz normal zum Dienst erschienen. Das gestern war wahrscheinlich nur eine Magenverstimmung. Ich hoffe, ihr seid ohne mich klargekommen. Gibt’s Neuigkeiten?«
    »Jede Menge. Eine dreißigjährige Maklerin ist am Wochenende verschwunden. Und wir haben ein sehr merkwürdiges Bekennerschreiben bekommen. Hast du Bastian schon gesprochen?«
    »Nein …«
    Siljas Antwort kommt zögernd und leise, so, als wolle sie noch etwas hinzufügen, habe es sich aber in letzter Minute anders überlegt. Sven mustert die Kollegin nachdenklich. Sie wird rot unter seinem Blick.
    »Hör mal, Mädchen, gibt es da etwas, das ich wissen müsste?«
    »Nein, nein, alles in Ordnung.«
    »Dann komm mit, wir gehen zu ihm. Er brütet über irgendetwas. Den ganzen Morgen schon. Und ich will, dass er es endlich ausspuckt.«
    Wieder wird Silja rot, setzt sich aber folgsam in Bewegung.
    Als die beiden das Büro betreten, telefoniert Bastian Kreuzer gerade an seinem Schreibtisch. Er sitzt mit dem Rücken zur Tür.
    »Ja, natürlich kümmern wir uns darum. Nein, nach vierundzwanzig Stunden muss etwas geschehen, das sehe ich auch so. Kommen Sie noch mal vorbei wegen der Personenbeschreibung? Noch besser wäre natürlich ein Foto.«
    Während er der Entgegnung seines Gesprächspartners lauscht, dreht er sich um, streift Sven mit

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