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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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Tempo steuert Bastian seinen Wagen über die große Inselstraße Richtung Kampen. Der Himmel ist seit zwei Stunden strahlend blau, und die Temperaturen liegen bei hochsommerlichen 28 Grad. Bastian Kreuzers rechter Arm findet immer wieder den Weg zu Siljas Schulter, zu ihrem Hals und manchmal auch zu ihrer Wange. Seine Berührungen sind sanft, ohne vorsichtig zu sein. Sie sind nachdrücklich, ohne fordernd zu sein.
    »Glaubst du, die Maklerin hängt mit drin?«
    »Was meinst du damit? Als Opfer oder als Täterin?«, erkundigt sich Silja.
    »Täterin«, antwortet Bastian und ist selbst überrascht von seiner Entscheidung.
    »Eine Frau, die kleine Mädchen entführt. Gab’s das denn schon mal?«
    »Nicht dass ich wüsste. Aber im Wandel der Zeiten und der sexuellen Ausrichtungen müssten wir vielleicht in diese Richtung ermitteln.«
    »Ist dir das gerade eingefallen, oder denkst du schon länger darüber nach?«
    »War so eine Eingebung. Denn irgendwas an dem Fall ist doch schief, das glaube ich schon seit Tagen. Alle Mädchen sind tagsüber und auf offener Straße verschwunden, keine hat sich auch nur ansatzweise gewehrt. Da sollten wir uns langsam von der Theorie des bösen Onkels entfernen. Außerdem machen alle drei Elternpaare sehr wohl den Eindruck, dass sie ihre Töchter in dieser Hinsicht gewarnt haben.«
    »Ich habe sie danach gefragt. Natürlich war den Mädchen eingeschärft worden, dass sie unter keinen Umständen mit irgendwelchen Männern mitgehen dürfen.«
    »Na siehst du. Wenn sich trotz der Warnungen eine nicht daran hält, will ich gar nichts sagen. Aber gleich alle drei Mädchen – und das bei diesem Medienhype nach der ersten Entführung. Da stimmt was nicht.«
    »Deswegen warst du so hinter diesem Zauberer her, stimmt’s?«
    »Ja klar. Ich bin immer noch nicht sicher, ob wir uns von ihm nicht haben täuschen lassen. So viel nur zum Stichwort ›Zauberer‹. Im Nachhinein finde ich sein Alibi eine Spur zu wacklig, aber vor allem könnten die Mädchen Vertrauen zu ihm gehabt haben. Schließlich sind sie ihm im geschützten Raum ihrer Kindergärten begegnet.«
    »Nicht alle, nur zwei.«
    »Das ist auch wieder wahr. Und nur ein weiterer Grund, jetzt bei dieser Maklerin genau hinzuschauen. Denn eines ist doch klar. Sie hat die Schlüssel zu jeder Menge leerstehender Häuser hier auf der Insel. Sie kann sich das Versteck für was auch immer auf dem freien Markt aussuchen.«
    »›Was auch immer‹ ist deine Umschreibung für tote Mädchen, oder?«
    »Ich fürchte, ja. Denn wenn es die Maklerin war, kann sie sich kaum um die Kinder gekümmert haben, schließlich war sie in der ganzen letzten Woche im Büro. Für eine nächtliche Blutorgie oder auch drei dürfte sie allerdings die Zeit gehabt haben.«
    Silja schluckt. Doch bevor Bastian sich entschuldigen kann, siegt ihre Professionalität.
    »Das heißt, dass wir so schnell wie möglich alle freien Objekte durchsuchen sollten, die
Zöllner-Immobilien
im Moment im Angebot hat?«
    »Genauso machen wir’s. Und hier müssen wir auch schon abbiegen, oder?«
    Während Bastian seinen Wagen an der nördlichen Kampener Ampelkreuzung zum Stehen bringt und den Blinker setzt, klingelt sein Handy. Nach einem knappen Blick aufs Display nimmt Bastian den Anruf an.
    »Hallo Sven. Wir sind schon an der Ecke, gib uns noch zwei Minuten. – Was?«
    Während die Ampel grün wird und die Wagen auf der Abbiegerspur hinter Bastian ein wütendes Hupkonzert veranstalten, lauscht er mit zusammengekniffenen Augen der Stimme seines Kollegen. Dann greift Bastian Kreuzer mit der freien Hand nach dem mobilen Blaulicht, setzt es durch das geöffnete Fenster hindurch aufs Dach und stellt es an. Sofort erlischt das Hupkonzert, der Wagen, der Bastian gerade links überholen wollte, stoppt, und sogar die Autos auf der Gegenfahrbahn halten an.
    »Geht doch«, murmelt Kreuzer, fährt mit quietschenden Reifen geradeaus und ruft der verblüfften Silja zu: »Die Recherche bei den Immobilienfuzzis müssen wir aufschieben. Wir haben die erste Tote. In einem Haus am Watt, das bei
Zöllner-Immobilien
zum Verkauf steht.«

Dienstag, 28. Juli, 13.44 Uhr,
Wattvilla, Kampen
    Die weibliche Gestalt liegt auf dem Rücken in einer Blutlache, die ihren Körper komplett umgibt und, grob betrachtet, die Form der Insel Sylt hat. Der linke Arm der Toten ist weit ausgestreckt und ragt in die östliche Ausbuchtung der Blutinsel hinein. Der rechte Arm ist nicht zu sehen. Vermutlich befindet er sich

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