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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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dort wäre, am Ort ihrer Sehnsucht. Vielleicht sollte sie heute anstelle von Annie Lennox lieber die Märchenplatte spielen. Schneeweißchen und Rosenrot. Ann-Kathrin und Karoline. Zwei Schwestern im Kampf gegen das Böse. Ein Böses, das sich personifiziert hat und in Karolines perfekte kleine Ersatzwelt eingedrungen ist. Die Frau mit der strengen Frisur hat unerlaubterweise ihr Territorium betreten. Karoline konnte es gestern Abend genau beobachten. Darum ist sie jetzt auch so unruhig. Sie muss in der Kurverwaltung anrufen und sich krankmelden, denn was sie vorhat, duldet keinen Aufschub. Karoline muss prüfen, ob die Blonde etwas angerichtet hat. Den Schwestern geschadet, das Heim zerstört. Was wollte sie in dem Haus? Und wird sie in Zukunft häufiger kommen? Drängende Fragen, die ihr in der Nacht den Schlaf geraubt haben. Fragen, die nur die Blonde selbst befriedigend beantworten könnte. Aber sie ist weg, hat gestern Abend noch das Haus verlassen, allerdings erst nachdem sie in die obere Etage eingedrungen war und alle Fenster aufgerissen hatte. Karoline weiß genau, dass sie schon gestern Abend hätte nachsehen müssen, was dort oben geschehen ist, aber sie konnte sich nicht überwinden, die Treppe hinaufzusteigen. Nicht nur wegen der Hüfte, die während der letzten Nächte so stark geschmerzt hat wie lange nicht mehr. Auch wegen der Kinder, der Mädchen, der Schwestern, deren ureigenstes Reich unbedingt zu respektieren ist. Nicht nur von der blonden Teufelin, nein, auch und gerade von Karoline selbst. Sie spürt deutlich, wie ihr eine wichtige Aufgabe zufällt. Sie muss das Haus und die Schwestern beschützen – um jeden Preis

Freitag, 24. Juli, 9.10 Uhr,
Finkenweg, Kampen
    Während sich der Duft nach frisch aufgebrühtem Darjeeling-Tee in der winzigen Wohnküche ausbreitet, frottiert Mona sich die Haare. Das Duschbad unter der Dachschräge ihres Apartments ist von der Küche aus über zwei Stufen zu begehen, ein Umstand, der nicht stört, wenn man allein lebt, der aber gehörig dazu beigetragen hat, dass sie die kleine Wohnung im ruhigen Teil des alten Kampen zu einem vernünftigen Preis erwerben konnte. Sechzig Quadratmeter unter dem Dach eines alten Friesenhauses mit eigenem Eingang und einem hinter Rosenhecken verborgenen Gartenanteil, der groß genug ist für einen Strandkorb und ein Stück Rasen.
    Die Wohnung selbst besteht aus einem geräumigen Schlafzimmer mit einer Viererreihe von quadratischen Fenstern, durch die Monas Blick bis zu den Dünen wandern kann, und einem verwinkelten Wohnraum mit drei von diesen alten kleinen Gauben, die wie Sichtscharten einer Burg wirken, aber dem Raum eine Gemütlichkeit verleihen, die mit neuen Fenstern nicht herzustellen wäre. Die Gauben gehen nach Süden und Osten, so dass das Wohnzimmer bis zum frühen Nachmittag aus unterschiedlichen Richtungen von der Sonne durchstrahlt wird. Da die fensterlose Küche zum Wohnraum hin offen ist, kann auch sie vom Sonnenlicht profitieren.
    Mona liebt ihr Refugium, auch wenn sie sich nicht oft tagsüber hier aufhalten kann. Unter der Woche bleibt sie lange im Büro, und an den Wochenenden häufen sich gerade im Sommer Ortsbesichtigungen und Kundentermine. Darum bemüht sich Mona, wenigstens einmal in der Woche einen Vormittag freizunehmen. Ihre beiden Mitarbeiter sind dann allein im Büro und kommen in der Regel gut zurecht. In dringenden Fällen können sie Mona natürlich auf dem Handy erreichen.
    Heute ist so ein Vormittag. Und gerade jetzt klingelt Monas Handy. Das Büro.
    »Hallo, Lucie, was gibt es?«
    »Frau Hofacker, wir haben hier einen komischen Umschlag im Briefkasten.«
    »Wieso komisch?«
    Mona zieht das Handtuch vom Kopf und schüttelt ihr Haar kräftig durch.
    »Da ist kein Absender drauf.«
    »Und was ist in dem Umschlag drin?«
    »Ich habe ihn noch nicht geöffnet, fühlt sich aber an wie mehrere Schlüssel.«
    »Na dann sehen Sie doch mal nach.«
    Durch die Leitung ist das Geräusch von reißendem Papier zu hören, gefolgt von einer merkwürdigen Stille.
    »Und?«
    Mona nimmt das Teesieb aus der Kanne und legt es in der Spüle ab.
    »Jetzt sagen Sie schon, was sind das für Schlüssel?«
    »Ein großer langer und zwei Sicherheitsschlüssel. Ziemlich alt, würde ich sagen. Aber da ist noch etwas.«
    »Ja?«
    »Ein Zettel.«
    »Also, Lucie, jetzt machen Sie es doch nicht so spannend.«
    »Da steht nur eine Adresse drauf. Strandweg 17. Und danach kommt noch so ein komischer Krakel, ich weiß nicht, was das

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