Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
Vom Netzwerk:
antworten kann, legt Silja ihre Hand beruhigend auf Viktoria Missfelds Unterarm. Die Kommissarin weiß genau, was jetzt kommt.
    »Wir haben also insgesamt neun Phantombilder. Zwei von ihnen weisen eine sehr entfernte Ähnlichkeit miteinander auf. Die anderen sind vollständig unterschiedlich. Wenn wir sie alle an die Presse weitergeben würden, bekämen wir Hinweise auf etwa ein Drittel der männlichen Bevölkerung der Insel. Es ist alles dabei. Schnauzbart, Vollbart, glattrasiert. Blonde Haare, dunkle Haare. Groß, klein, dick, dünn.«
    »Nein.«
    »Doch, leider. Wissen Sie, es ist eine alte Ermittlerweisheit, dass nichts so unsicher ist wie ein Zeuge, der sich absolut sicher ist. Und hier wollen wirklich alle helfen. Die Empörung der Bevölkerung ist natürlich riesig. Und das Mitleid mit Ihnen und der anderen betroffenen Familie auch. Da kommt es ganz schnell zu sogenannten Empathieäußerungen.«
    »Sie meinen, die Leute haben viel weniger gesehen, als sie sich einbilden?«
    »Genau. Unsere Zeugen können den Gedanken einfach nicht ertragen, dass sie möglicherweise nur wenige Schritte von einem schändlichen Verbrecher entfernt waren und nichts, aber auch gar nichts zur Verhinderung seiner Tat beigetragen haben. Dieses Problem löst die menschliche Psyche, indem sie die vorhandene Beobachtungslücke füllt. Man hat eben doch etwas gesehen. Man kann wenigstens nachträglich helfen. Nur hilft uns das nicht viel.«
    »Aber einer von denen hat vielleicht tatsächlich den wirklichen Entführer beobachtet.«
    »Mit ziemlicher Sicherheit ist das so. Aber wir bräuchten eine Zeugenaussage im ersten Entführungsfall, um hier die Spreu vom Weizen trennen zu können.«
    »Da gibt es aber keine Zeugen, oder irre ich mich?«
    »Leider nein.«
    »Also muss erst ein drittes Mädchen entführt werden, damit Sie in Ihren Ermittlungen weiterkommen.«
    »Frau Missfeld, das haben jetzt Sie gesagt.«
    »Aber ich habe doch recht.«
    Bastian Kreuzer steht auf, und auch Silja Blanck erhebt sich.
    »Wir werden alles tun, damit es nicht so weit kommt.«
    »Alles ist manchmal nicht genug. Warten Sie, ich bringe Sie zur Tür.«

Samstag, 25. Juli, 16.10 Uhr,
Wattvilla, Kampen
    Monas Herz schlägt heftig, und der Grund dafür ist nicht das abendliche Date mit Björn Steingart. Der Grund ist dieses Haus am Watt, dessen Schlüssel sie gerade im Schloss dreht, dessen Eingangstür sie gerade anhebt, um in eine Atmosphäre einzutreten, die sie langsam zu hassen beginnt.
    Sonnenlicht liegt in Streifen über den Möbeln, Staub tanzt durch die Luft. Es ist still, und es riecht nach Zitrone. Mit langsamen Schritten nähert sich Mona dem Küchentrakt. Da ist die Tür zum Keller. Vor einigen Tagen hing hier noch ein Abreißkalender aus den siebziger Jahren. Jetzt ist er fort. Vermutlich hat Lidia ihn weggeworfen, wie alles andere auch, das an früher erinnert hat. Vielleicht hat Lidia dabei doch die Kellertür geöffnet, vielleicht war Lidia dort unten und hat gefegt und ein wenig geputzt. Vielleicht hat sie nur vergessen, es zu erwähnen, weil Mona so fixiert auf die Kinderzimmer gewesen ist. Vielleicht ist Monas Sorge überflüssig gewesen, und sie hat nur unnötig Zeit vergeudet mit ihrem Ablenkungsmanöver von der Kellerbesichtigung. Immerhin hat ihr dieses Manöver ein abendliches Date eingetragen, dessen Nutzen oder Schaden sich noch erweisen wird.
    Mona öffnet die Tür mit dem alten langen Schlüssel, der an dem Rother’schen Schlüsselbund hängt. Jeder, der etwas zu verbergen hätte, hätte diesen Schlüssel doch zurückgehalten. Falsch, verbessert Mona sich selbst. Jeder, der etwas zu verbergen hätte, hätte die Villa gar nicht erst zum Verkauf angeboten. Warum nur war sie vor vier Stunden nicht davon überzeugt? Dann hätte sie in aller Ruhe mit Björn Steingart gemeinsam diese enge und schmale Treppe hinuntersteigen können, die nur von einer einzigen Lampe, in der eine sehr schwache Glühbirne steckt, beleuchtet wird.
    Unten riecht es muffig, aber nicht schimmelig. Mona klopft die Wände ab. Sie sind trocken, die an einigen Stellen abplatzende Farbe scheint kein Alarmzeichen, sondern nur eine Alterserscheinung zu sein. Der schmale Kellergang ist dunkel, irgendwo hier unten muss sich ein weiterer Lichtschalter befinden. Mona tastet die Wände neben den Türen ab. Nichts. Zwei der Türen stehen offen, so dass ein diffuses Licht durch die Kellerfenster hereinfallen kann.
    Hinter der ersten Tür befindet sich eine Speisekammer mit gut

Weitere Kostenlose Bücher