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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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jedenfalls. Ich habe ihn ja nur von hinten gesehen, als er auf die Ampel zugefahren ist.«
    »Wenn die Haare kurz sind, kann man die Locken aber nicht so gut erkennen.«
    »Das stimmt. Dann waren sie länger. Oder er hatte keine Locken. Ich habe doch nicht so genau hingeguckt. Der Mann war ja auch ganz schnell wieder weg. Mit seinem Auto. Und mit Lise.«
    Erschrocken hält Mette inne. Sie schaut, als hätten ihre Worte zum Verschwinden der Kindergartenfreundin beigetragen.
    Bastian Kreuzer räuspert sich. »Und Brille oder Schnurrbart, so etwas konntest du nicht erkennen?«
    »Ich weiß nicht. Ja, vielleicht eine Brille. Es tragen doch viele Männer eine Brille, oder?«
    »Das schon, aber wir würden gern genau wissen, wie dieser ganz bestimmte Mann ausgesehen hat.«
    »Ich weiß nicht, wirklich …«
    Mette sieht ihre Mutter hilfesuchend an. Anja legt den Arm um ihre Tochter.
    »Es ist wichtig, Mette, es ist ungeheuer wichtig, dass du dich genau erinnerst.«
    »Ich weiß es nicht mehr, Mami, wirklich nicht.«
    Bastian Kreuzer greift nach seinem Handy und tippt auf eine Kurzwahltaste.
    »Haben wir Ausdrucke von den Phantombildern?«
    Während sein Gesprächspartner ihn mit einem Wortschwall überzieht, rollt Kreuzer verzweifelt mit den Augen. Seine Grimassen bringen Mette zum Lachen. Sogar Anja muss schmunzeln.
    »Okay, dann muss es anders gehen. Dank dir. Ich melde mich später noch mal.«
    Kreuzer steht auf und winkt Mette, ihm zu folgen.
    »Ich will dir was zeigen. Ein paar Bilder. Die Mama lassen wir hier. Ist das in Ordnung für dich?«
    Mette nickt, wirft aber ihrer Mutter einen fragenden Blick zu.
    »Geh nur, ich warte hier.«

Samstag, 25. Juli, 21.19 Uhr,
Wattvilla, Kampen
    Die Hüfte schmerzt, als Karoline sich vorbeugt, um den Deckel der Musiktruhe hochzuklappen. Die
Eurythmics
-Platte hält sie schon in der rechten Hand, die plötzlich zu zittern beginnt. Es ist, als entlade sich die Spannung eines ganzen Tages. Eines Tages, an dem keine Minute vergangen ist, in der sie nicht an die Wattvilla gedacht hätte. Und um ihre Schwestern gefürchtet. Sie hat es kaum an ihrem Schreibtisch in der Kampener Kurverwaltung ausgehalten. Und in der Mittagspause ist sie wie magisch angezogen schon hinunter zum Watt gelaufen, um das Haus wenigstens von weitem zu sehen. Für mehr war keine Zeit.
    Doch jetzt endlich sitzt sie hier auf dem weichen Sofa, und die Stimme von Annie Lennox füllt den Raum. Karoline schließt die Augen und wird ganz ruhig. Dieses Haus ist ihre Höhle und Annies Stimme ihre Decke. Mehr braucht Karoline nicht zum Glück, denn wie singt Annie doch so wahr?
    »Love is a danger of a different kind.«
    Karoline spürt, wie ihr Atem in den Rhythmus der Musik einschwingt, wie die Panik von ihr weicht und ihre kleinen Schwestern auf leisen Sohlen aus dem oberen Geschoss kommen, um sie zu trösten.
    »Love is a stranger in an open car.«
    Vor allen Fremden sollte man sich hüten, das hat Karoline im Gegensatz zu manchen anderen schon als Kind begriffen. Und ihren kleinen Schwestern hat sie es auch immer wieder gesagt.
    Aber sie wollten ja nicht auf Karoline hören …

Samstag, 25. Juli, 21.28 Uhr,
Wattvilla, Kampen
    Hämmernde Schläge hinter der Stahltür. Irgendjemand muss gegen das Metall wüten. Ängstlich beobachtet Mona die bebende Tür, die plötzlich aufspringt. Ein Mann betritt den Kellerraum. Er hat sein Gesicht verhüllt und eine übergroße Kneifzange in den Händen. Während er langsam auf Mona zukommt, umfassen beide Hände die Griffe der Zange, ziehen sie auseinander und lassen sie gleich darauf wieder zusammenschnappen. Immer im Rhythmus der hämmernden Beats. Der Mann kommt näher. Schritt für Schritt. Als er ganz dicht vor Mona steht, öffnet sich das Metallmaul klaffend zu einer Schere, die ziemlich genau der Breite von Monas Kopf entspricht. Lachend setzt der Mann die Zange auf ihre Ohren, dann drückt er zu.
    Das knirschende Geräusch reißt Mona aus dem Schlaf. Oder war es ihr eigener Schrei? Sekundenlang presst sie die Hände an die Ohren, kann nicht glauben, dass diese unversehrt an ihrem Kopf sitzen, kann nicht glauben, dass der Kellerraum leer ist, dass die Tasche voller Coladosen und Schokolade immer noch mitten im Raum steht, kann nicht glauben, dass ihr selbst nichts geschehen ist, noch nichts.
    Nur die Musik ist da. Ein alter Hit, den Mona nicht zuordnen kann, weil das vor ihrer Zeit war. Die Töne stampfen durchs Haus und bringen die Luft zum Beben. Mona schreit in die

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