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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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eiserne Jungfrau. Sollen sie doch, solange sie sie nur in Ruhe lassen.
    Und jetzt dieses Rendezvous mit dem Kollegen vom Festland. Bastian Kreuzer. Vor zwei Tagen hat sie von ihm geträumt. Seitdem würde sie alles tun, um diesen Traum zu vergessen. Doch Silja begegnet Bastian täglich im Kommissariat, da ist das mit dem Vergessen nicht so einfach. Denn Bastian Kreuzer hat eine Ausstrahlung, die fatale Erinnerungen in ihr weckt.
    Der Kollege entspricht komplett dem Daddy-Schema. Er ist groß und stark und scheint immer zu wissen, was zu tun ist. Ganz so, wie Siljas eigener Vater vor dem Tod der kleinen Schwester gewesen ist. Danach hat er nie wieder so gewirkt. Dass er Franziska, seine jüngste Tochter, nicht hatte beschützen können, hat ihn damals gebrochen. Die Depressionen wurden von Jahr zu Jahr stärker, schon bald konnte er nicht mehr in seinem Job arbeiten, dann kam der Alkohol und dann die Psychiatrie. Heute ist Siljas Vater ein von Tabletten aufgeschwemmter Mann, der weitaus älter aussieht, als er ist. Eine schlaffe Hülle, die dem Tod entgegensiecht, vorsichtig abwartend und nicht ganz unwillig, wie es Silja bei ihren immer selteneren Besuchen in der Klinik scheint.
    Sorgsam streicht sie mit dem Tuschebürstchen aufwärts. Dunkle Augen, pechschwarze, sehr lange Wimpern. Silja weiß genau, dass sie mit ihrer Mischung aus Attraktivität und Coolness ausgesprochen sexy wirkt. Sie legt es nicht darauf an, sie wünscht sogar oft, es wäre anders. Doch sie kann es nicht ändern. Sie kann weder an ihrer Schönheit etwas ändern, noch kann sie auf die Maskerade verzichten. Sie braucht täglich das Gefühl, alles zum Verschwinden zu bringen, was an ihr verletzlich und sanft wirken könnte.
    Und heute Abend wird sie es besonders nötig haben.
    Während Silja die Wimperntusche zuschraubt, überlegt sie zum tausendsten Mal, ob sie die Verabredung nicht lieber absagen soll. Bastians Handynummer hat sie, es könnte ganz schnell gehen. Aber dann? Wie wird sie sich morgen fühlen? Wäre die Blöße, die sie sich gäbe, nicht noch größer?
    Silja richtet sich auf, als gelte es, einen Kampf zu bestehen. Und vielleicht ist es genau das, ein Kampf gegen die Gespenster ihrer Vergangenheit.

Sonntag, 26. Juli, 20.55 Uhr,
Hauptstraße, Kampen
    Bastian stellt den Wagen auf dem kleinen Parkplatz neben dem
Hermès
-Geschäft ab. Er steigt aus und sieht sich um. Das Bistro, in dem Silja reserviert hat, liegt auf der anderen Straßenseite. Silja ist noch nicht zu sehen, aber es ist auch erst fünf vor neun. Es erscheint Bastian merkwürdig, dass er noch am Morgen auf dem Strönwai die Entführungsszene nachgestellt hat und jetzt nur wenige Meter davon entfernt mit seiner attraktiven Kollegin verabredet ist. Als er Silja Blanck die Auswahl des Ortes überlassen hat, hätte er mit allem gerechnet, aber nicht mit diesem Renommierbistro mitten in Kampens goldenem Dreieck. Hat er die Kollegin vielleicht auch sonst falsch eingeschätzt? Verbirgt sich hinter ihrer aufreizend coolen Fassade doch nur der übliche Girlie-Chic?
    Aber warum geht sie dann mit ihm aus? Schließlich ist er eher Raubein als Gentleman.
    Nachdenklich setzt Bastian den ersten Fuß auf die Straße, obwohl die Ampel noch rot ist. Ein Wagen bremst und hupt. Bastian bleibt stehen und entschuldigt sich mit einer kleinen Geste. Hinter dem Steuer sitzt Silja und droht lächelnd mit dem Zeigefinger.
    Als sie auf dem Parkplatz ihr Auto verlässt, ist das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie wirkt plötzlich angespannt, fast schon hektisch.
    »Was ist? Hast du dich meinetwegen abgehetzt? Ich hätte durchaus fünf Minuten auf dich gewartet«, versucht er, das Eis zu brechen.
    »Nein, das ist es nicht. Aber dieses Kampen schüchtert mich ein.«
    »Du bist es, die hier reserviert hat, nicht ich.«
    »Der Betreiber ist ein ehemaliger Mitschüler von mir. In der Hochsaison bekommst du auf Sylt so kurzfristig keinen Tisch mehr, jedenfalls nicht ohne Beziehungen. Und nicht, wenn das Essen was taugen soll.«
    »Und hier ist es gut?«
    »Habe ich jedenfalls immer wieder gehört.«
    Diesmal überqueren beide die Straße bei Grün. An der Ampel wartet ein dunkelblaues Jaguar-Cabriolet. Automatisch mustert Bastian den Fahrer. Ein Herr über siebzig mit Glatze und Kaiser-Wilhelm-Bart. Der ist bestimmt auf keinem der Phantombilder.
    »Keine beruflichen Themen heute Abend, okay?«
    Silja hat Bastians Blick gesehen.
    »Von mir aus gern. Ich könnte dich stattdessen mit der

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