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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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war nackt und völlig verdreht. Sie ist erdrosselt worden. Irgendein Schwein hat seine Pranken um ihren schmalen Hals gelegt und so lange zugedrückt, bis kein Leben mehr in ihr war.«
    »Mein Gott. Warum hast du das denn nicht vorher erzählt? Niemand hätte dich unter diesen Umständen gezwungen, an dem Fall mitzuarbeiten.«
    »Darum gerade habe ich es ja nicht erzählt. Ich dachte, ich kann helfen. Ach was. Ich wollte helfen, unbedingt. Aber jetzt ist mir manchmal, als würden mich die Erinnerungen überwältigen. Ich habe immer häufiger Mühe, dagegen anzukommen.«
    »Hat man den Täter gefunden?«
    »Nein, nie.«
    »Könnte es nicht der gleiche sein wie jetzt? Du bist doch hier aufgewachsen, oder?«
    »Zum Teil. Wir haben früher in Rantum gewohnt, im Haus meiner Großeltern. Als sie starben, haben meine Eltern das Haus verkauft und sind mit uns nach Niebüll gezogen. Dort ist es dann auch passiert. Es war kurz nach dem Umzug, ich hatte gerade mein Abitur hier am Westerländer Gymnasium gemacht. Es hatte damals schon vorher einen ganz ähnlichen Fall gegeben. In der Nähe von Husum. Das Mädchen war zwölf oder dreizehn Jahre alt, also schon am Beginn der Pubertät. Und meine Schwester war zwar nicht sehr fraulich, aber groß für ihr Alter. Nicht solch ein Baby wie die Mädchen jetzt. Das Täterprofil ist ein komplett anderes, außerdem sind zehn Jahre Pause eine lange Zeit und dann noch der Ortswechsel auf die Insel, das ergäbe wenig Sinn.«
    »Weiß einer von den Kollegen von deiner Geschichte?«
    »Niemand. Ich wollte neu anfangen, als ich hierher zurückkam. Alles hinter mir lassen, du weißt schon. Ich habe keinem was erzählt.«
    »Ich bin der Erste, der davon hört?«
    »Ich fürchte, ja.«
    Wieder trifft Silja einer dieser Blicke, denen sie nicht ausweichen kann. Und noch während sie um Haltung ringt, steht Bastian auf und stellt sich hinter ihren Stuhl. Silja muss sich nur ganz wenig zurücklehnen, um den Kopf an seinen Oberkörper stützen zu können. Bastian beugt sich nach vorn, umfasst ihre Schultern mit seinen Armen und vergräbt das Gesicht in ihrem Haar. Sie kann nicht verstehen, was er murmelt, und es ist ihr auch egal, wenn er nur nicht aufhört.
    Als der Kellner sich sehen lässt, gibt sie ihm mit der freien Hand ein Zeichen. Er versteht und bringt die Rechnung. Silja besteht darauf, ihre Hälfte selbst zu zahlen.
    »Aber nur, wenn du noch ein Stück mit mir spazieren gehst.«
    »Okay. Aber nur, wenn du mich noch einmal in den Arm nimmst.«

Sonntag, 26. Juli, 23.20 Uhr,
Lister Straße, Kampen
    Während Fred rhythmisch in die Pedale tritt, immer noch auf dem Weg von List nach Kampen, setzen sich seine Gedanken auf ihre Erinnerungsbahnen. Unfälle. Prominentenberichte. Tragische Geschichten. Die Kreise auf der Syltkarte bezogen sich auf ein ganz bestimmtes seiner zahlreichen Projekte. Fred wollte ein Schlaglicht auf die Sylter High Society anhand der tödlichen Autounfälle auf den Straßen der Insel werfen. Warum er damals ausgerechnet an dieser Story einen Narren gefressen hatte, weiß er nur zu genau. Doch er will es nicht wahrhaben, schon lange nicht mehr. Es war Sannes Idee gewesen, und er hatte sich gleich dafür begeistert. Aber so, wie die Beziehung zu Sanne in die Brüche ging, so wurde auch nichts aus seinem hochfliegenden Projekt. Es war eines der wenigen, die nie realisiert worden sind. Zu morbid, zu deprimierend, nicht das, was man von einem Society-Korrespondenten erwartet, das waren die Argumente der Redakteure. Sie kamen zu einer Zeit, in der alles in Fred Hübners Leben scheiterte, sie waren der Anfang vom Ende. Kein Wunder, dass er nicht gern daran zurückdenkt.
    Doch jetzt ist etwas anders. Jetzt könnte gerade diese Erinnerung der Türöffner für einen Neubeginn sein.
    Während sich die nächtlichen Lichter von Kampen langsam nähern, erinnert sich Fred Stück für Stück an das umfangreiche Recherchematerial, das er damals zusammengetragen hat und das vermutlich immer noch in einer der Kisten vor sich hin schimmelt. Vor Freds innerem Auge beginnt ein Film abzulaufen.
    Ein Porsche, der sich am hellen Vormittag um die Ampelstange vor Manne Pahls Bäckerei wickelt. Der Fahrer ist sofort tot, der Anlass für seine Amokfahrt wird nie geklärt. Das ist der Kreis auf der Karte mitten in Kampens Zentrum.
    Der Film läuft weiter. Ein cremefarbenes Käfer-Cabrio erscheint auf der alten Landstraße zwischen Westerland und Wenningstedt, es fährt weit über hundert und wird

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