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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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dir einen Vorschlag machen?«
    »Ja klar.«
    »Würdest du morgen zusammen mit deinem Papa zu uns aufs Revier kommen und einem Zeichner den Mann in dem offenen Auto ganz genau beschreiben?«
    Mette nickt eifrig, fragt dann aber besorgt: »Und er malt ihn, und dann können ihn alle Leute im Fernsehen sehen?«
    »Ja, genau.«
    »Aber das Fernsehen darf nicht sagen, dass ich ihnen den Mann verraten habe, sonst kommt das Monster wieder.«
    »Nein, Mette, das sagt das Fernsehen ganz bestimmt nicht.«
    Mette schaut zweifelnd. Sie reibt sich die Nase, dann gibt sie sehr kleinlaut zu bedenken: »Ich weiß aber immer noch nicht, wie der Mann ausgesehen hat. Nur das mit der Narbe ist mir wieder eingefallen.«
    »Okay, dann lassen wir das mit der Zeichnung. Trotzdem hast du uns unglaublich geholfen«, erklärt Bastian Kreuzer mit energischer Stimme. Dann fügt er leise und nur für Sven Winterbergs Ohren bestimmt hinzu: »Und wir sollten sehen, dass wir diesen Hübner so schnell wie möglich laufenlassen. So verdächtig er sich auch gemacht haben mag, eine Narbe auf der Stirn hat der jedenfalls nicht.«

Montag, 27. Juli, 23.40 Uhr,
Kriminalpolizei Westerland
    »Hey, das könnt ihr doch nicht mit mir machen! Es ist schon fast Mitternacht.«
    Empört dreht sich Fred Hübner vor dem spärlich beleuchteten Portal des Kommissariats nach dem Beamten um, der ihn bis vor die Tür begleitet hat.
    »Seien Sie mal lieber froh, dass Sie überhaupt freigekommen sind. Eine Anklage wegen Hausfriedensbruch wäre immer noch drin gewesen. Schließlich hatten Sie auf der Baustelle nichts zu suchen.«
    »Und wie soll ich jetzt nach List kommen? Mitten in der Nacht? Du glaubst wohl, mein Chauffeur wartet hier irgendwo. Ich kann mir noch nicht mal ein Taxi leisten. Ich bin völlig blank, Mann.«
    Der Polizist deutet um die Ecke des Gebäudes.
    »Schauen Sie mal da, was wir gefunden haben. Das ist doch sicher Ihr Fahrrad. Sieht jedenfalls auch so aus, als hätte es seine besten Tage hinter sich.«
    Fred schenkt sich jeden Kommentar zu dieser Beleidigung. Es ist tatsächlich sein altes Fahrrad, das an der Ecke lehnt. Und als er mit langsamen Schritten darauf zugeht, stellt er fest, dass ihm körperlich wohler ist als seit vielen Wochen. Gern wüsste er, was dieser Arzt ihm gespritzt hat, den das Walross nach seinem Zusammenbruch auf der Toilette geholt hat. Freds Erinnerungen an den Zusammenbruch selbst sind lückenhaft. Zittern, Schweiß, Panikattacken. Stammeln, Weinen, Flehen. Nur einen Schluck Alkohol hätte er gebraucht, dann wäre alles besser geworden. Stattdessen war der Mediziner gekommen und hatte Fred dieses Zaubermittel verabreicht. Selbstverständlich wäre er jetzt trotzdem einem kleinen Ermunterungsschluck nicht abgeneigt, aber die Sehnsucht hält sich in Grenzen. Noch, wie Fred sich insgeheim eingestehen muss.
    Als er auf sein Fahrrad steigt und beginnt, in die Pedale zu treten, tut die frische Nachtluft ein Übriges, um für Klarheit in seinem Kopf zu sorgen. Während er rhythmisch tritt, schraubt sich stakkatoartig ein Text in sein Hirn. Fred braucht ein wenig, um die Worte zu erkennen und die Bezüge zuordnen zu können.
    Es geht
    Uns gut.
    Wir sind
    Jetzt En
    Gel. Es
    Geht uns
    Gut. Wir
    Sind jetzt
    En Gel.
    Engel. Etwas rührt sich in seiner Erinnerung. Endlich.
    Es geht
    Uns gut.
    Wir sind
    Jetzt
    Engel.
    Fred Hübner tritt und tritt und tritt. Das alte Westerland mit seinen buckligen Häusern liegt still und friedlich in der Nacht. Langsam formt sich ein ganz bestimmtes Bild in seinem Kopf. Weiße Flügel und Federn überall. Nur wo war dieses Überall? Warum zum Teufel haben ihm die Bullen die Straßenkarte mit den Kreisen nicht zurückgegeben? Er sollte umkehren und nach dem Syltplan verlangen. Aber würde er sich dadurch nicht wieder verdächtig machen?
    Also weiter. Es wird ihm schon noch einfallen, wo die Federn und die Engel hingehören. Die große Straße nach Kampen ist mäßig befahren, aber auf dem perfekt geteerten Radweg, der parallel zu der Straße verläuft, ist niemand unterwegs. Fred kommt zügig voran. Und seine Gedanken schweifen weit aus. Die ganze Vergangenheit wird lebendig. Partys am Strand. Mädels in den Dünen. Orgien im
Pony
. Und Katastrophenberichte in den Morgenzeitungen. Autsch, da liegt eine Flasche auf dem Fahrradweg, fast wäre Fred drübergefahren. Aber einen Platten kann er sich jetzt unmöglich leisten. Er ist der Lösung des Rätsels ganz nah, das spürt er genau. Wenn er sich nur besser

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