Engel sterben
in Grenzen. Aber sie will nicht unhöflich sein, auch wenn sie sich nervlich langsam am Ende fühlt.
»Wann kommt der Papa denn? Ich habe Hunger.«
»Gleich, mein Schatz. Er hat vorhin angerufen, er bringt noch einen Kollegen mit.«
»Kenne ich den?«
»Es ist der, mit dem du auf dem Revier gesprochen hast.«
»Der, der auch mit Steinen nach Autos wirft?«
»Geworfen hat. Jetzt tut er das bestimmt nicht mehr.«
»Ja, hat er gesagt. Aber vielleicht heimlich. Natürlich nur, wenn ganz böse Männer in dem Auto sitzen.«
»Ach Kind, was du dir immer ausdenkst.«
Anja lässt sich auf einen der Küchenstühle fallen und gießt sich eine Tasse Tee ein.
»Bist du traurig, Mami?«
»Ein bisschen erschöpft. Aber das wird schon wieder.«
»Dabei musst du dich doch freuen. Der Papa hat ja schließlich den bösen Mann festgenommen.«
»Na, das hast du nicht ganz richtig verstanden. Es gibt einen Verdächtigen, und der wird gerade verhört.«
»Dann kann der böse Mann nachher doch noch kommen und mich holen?«
Bevor Anja eine passende Antwort einfällt, geht die Tür auf, und Sven betritt mit Bastian Kreuzer die Küche.
»Niemand holt dich, mein Engel, darauf kannst du dich verlassen.«
Mette springt auf und wirft sich ihrem Vater an den Hals. Sie schlingt beide Arme um ihn, als wolle sie sich auf ewig mit ihm verbinden.
»Versprichst du mir das, Papa?«
»Aber klar doch.«
Während Sven seine Tochter durch die Luft schwenkt, wird er von seinem Kollegen kritisch beobachtet. Anja verscheucht die Irritation über den Blick und gibt Kreuzer die Hand zur Begrüßung.
»Nett, dass Sie mitgekommen sind. Auch wenn es nur ein ganz normales Abendbrot ist.«
Kreuzer löst seinen Blick von dem Kollegen und lässt ihn über den gedeckten Tisch wandern.
»Das sieht doch sehr lecker aus. Und danke für die Einladung.«
Während des Essens herrscht Schweigen. Zunächst ist es ein einvernehmliches, gemütliches Schweigen, immer wieder unterbrochen von kurzen Bemerkungen und Bitten.
»Reichst du mir den Käse?«
»Kann ich noch etwas Tee haben?«
»Möchten Sie noch eine Scheibe Brot?«
Doch dann wird das Schweigen lastend, und die Blicke, die insgeheim über den Tisch laufen, fallen auf. Kreuzer, der seinen Kollegen mustert. Anja, die ihre Tochter beobachtet. Mette, die die Augen nicht von Kreuzer nehmen kann.
Mette ist es auch, die schließlich das Schweigen bricht.
»Habt ihr denn den bösen Mann jetzt gefunden oder noch nicht?«
Dankbar wendet sich Kreuzer ihr zu.
»Wir haben jemanden, der sich auffällig benommen hat. Aber wir wissen noch nicht genau, ob er die Mädchen entführt hat.«
»Warum fragt ihr ihn nicht?«
»Er würde es nicht zugeben.«
»Und jetzt?«
»Vielleicht kannst du uns ja helfen.«
»Ich?«
Mette reißt die Augen auf und blickt von ihrer Mutter zum Vater und wieder zurück. Anja reagiert alarmiert, während Sven die Augen niederschlägt. Kreuzer ignoriert beide Eltern und bemüht sich um Blickkontakt zu dem Kind.
»Du hast den bösen Mann doch letztens im Traum gesehen, oder?«
»Woher weißt du das?«
»Hat mir dein Papa erzählt.«
»Ja, das stimmt. Aber es war doch nur ein Traum, hat Mama gesagt.«
»Ich weiß wirklich nicht, ob es so gut ist, das jetzt hier beim Abendessen zu besprechen.«
Anjas Stimme klingt gepresst, sie macht eine abwehrende Geste. Am liebsten würde sie Mette hinausschicken, um diesem übereifrigen Kriminalbeamten in aller Deutlichkeit zu sagen, was sie wirklich meint.
»Bitte machen Sie sich keine Sorgen, Frau Winterberg. Wie wissen doch alle, dass Mette hier gut geschützt ist, dass ihr gar nichts passieren kann.«
»Aber das grüne Monster weiß das nicht«, erklärt Mette im Brustton der Überzeugung.
»Doch vermutlich schon. Ich nehme an, dass dein Vater es ganz schön erschreckt hat«, wiegelt Kreuzer ab. Bevor er weiterredet, denkt er kurz nach. »Das Monster war also grün. Am ganzen Körper oder nur im Gesicht?«
»Ich habe nur auf das Gesicht geguckt, es war ja dunkel, aber das Gesicht hat geleuchtet.«
»Aber es war ein Menschengesicht?«
»Nein, ein Monstergesicht, das habe ich doch schon gesagt.«
»Ich wollte ja nur wissen, ob es vielleicht Ähnlichkeit mit einem Tier hatte.«
Anja springt auf und geht mit schnellen Schritten hinüber zum Küchentresen, um noch ein paar Scheiben von dem großen Brotlaib abzuschneiden. Ohne aufzusehen, schimpft sie: »Also wirklich, jetzt bringen Sie Mette doch nicht noch auf solche
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