Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
… also, Ihr Bekannter … ich mag so etwas nicht … fragen Sie mich geradeheraus, was Sie wissen wollen, und ich werde mich bemühen, im Rahmen des Vertrauensverhältnisses zu antworten.“
„Haben Sie irgendeinen Hinweis über den momentanen Aufenthaltsort von Major Schäfer?“
„Nein.“
„Hat er sich Ihnen gegenüber einmal dahingehend geäußert, dass er einfach alles hinschmeißen und abhauen will?“
„Möglich … aber eher in einer Weise, die …“
Beide schwiegen für einen Augenblick.
„Sie glauben nicht, dass er noch lebt“, fuhr Bergmann schließlich fort.
„Aus meiner Erfahrung … also wenn jemand mit einer dementsprechenden psychischen Konstellation einfach verschwindet und … ein Suizid ist in so einem Fall keine Seltenheit … aber Sie kennen Herrn Schäfer besser als ich … als sein bester Freund ist Ihnen bestimmt nicht entgangen …“
„Als was?“
„Sein bester Freund, so hat er Sie bezeichnet …“
„Sehr schön, aber auch nur Ihnen gegenüber … also dass er zeitweise depressiv war, ist mir nicht entgangen, nein … aber mit den Medikamenten, die Sie ihm verschrieben haben, ist das wirklich schnell besser geworden …“
„Ja … er war zweifelsohne ein schneller Responder … aber im Gesamten … als Mutter hätte ich ihn wohl als ewiges Sorgenkind bezeichnet …“
„Können wir bitte im Präsens von ihm sprechen? Nur der Form halber …“
„Natürlich, entschuldigen Sie, das war …“
„Schon gut … also: Was hat Ihnen solche Sorgen bereitet?“
„Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass er nicht daran glaubt … er ist zwar fast immer pünktlich erschienen, hat die Medikamente genommen, aber manchmal hab ich mir schon gedacht, das macht er mir zuliebe … damit ich ein Erfolgserlebnis habe …“
„Sieht ihm gar nicht ähnlich …“
„Ha ja, Sie haben da andere Erfahrungen …“
„Welche denn?“
„Na ja, mit seinen Wutausbrüchen und …“
„Er hat mit Ihnen über mich geredet?“
„Natürlich … Sie als sein ‚Lebensmensch‘ … pardon, das hat er einmal im Scherz gesagt …“
„Ach, lustig … und sonst? … Wovor hatte er Angst?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen …“
„Nicht können oder nicht dürfen?“
„Wohl beides“, der Therapeut sah unauffällig auf seine Armbanduhr, was Bergmann nicht entging.
„Als er zum letzten Mal hier war … in welcher Verfassung war er da? … Hat er irgendetwas gesagt, das uns einen Hinweis geben könnte …“
„Das ist jetzt, glaube ich, fast vier Monate her … ich denke …“
„Er ist seit fast vier Monaten nicht mehr bei Ihnen gewesen? Warum haben Sie das nicht gesagt?“, Bergmann sah sein Gegenüber scharf an.
„Warum … ich meine … ich kann meine Patienten nicht zwingen, zu mir zu kommen … er hat die vorgeschriebenen Stunden absolviert und …“
„Und von wem hat er dann die Medikamente bekommen?“
„Das weiß ich nicht, vielleicht ist er zu einem Kollegen gegangen …“, sagte der Arzt nervös. „Hat er die Medikamente denn weiter genommen?“
„Bin ich sein Arzt?“
„Nein, aber … also bei einem erwachsenen Menschen …“
„Sorgenkind haben Sie ihn gerade noch genannt“, Bergmann stand auf, „finden Sie heraus, ob er bei einem anderen Therapeuten war.“
„Wie bitte?“
„Wenn er nach Ihnen noch in Therapie war oder Medikamente verschrieben bekommen hat, will ich wissen, von wem.“
„Aber da wäre es leichter, bei der Versicherung nachzufragen … wegen der Medikamente zumindest …“
„Gut, mache ich … und Sie finden mir den Arzt“, Bergmann drückte dem Therapeuten kräftig die Hand und verabschiedete sich.
Auf dem Weg ins Kommissariat hatte er kurz ein schlechtes Gewissen, weil er dem Arzt gegenüber so angriffig geworden war. Was konnte er ihm denn vorwerfen? Dass er keine Zwangseinweisung veranlasst hatte? Nein, der Mann hatte schon recht mit dem Begriff Sorgenkind. Zu einem Mordverdächtigen ohne Unterstützung zu fahren, mit diesem eine gute Stunde Tee zu trinken und ihn dann per U-Bahn in die Sicherheitsdirektion zu bringen, fiel für manche vielleicht unter lebensmüde, aber bei Schäfer, der sich diese Aktion zwei Jahre zuvor geleistet hatte, schüttelte man eben wieder einmal mit dem Kopf, atmete tief durch und klopfte auf Holz, dass die nächste Verhaftung ebenso glimpflich ablaufen würde. War das passiert? Hatte Schäfer einen Verdächtigen ausfindig gemacht, ihn festnehmen wollen, die Situation war außer
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