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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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schicksalhafte Kreuzung gelangt war und dort gleich einen Kinderschänder seiner gerechten Strafe zugeführt hatte. Quasi jetzt erst entdeckt: Schäfers erster Fall.
    Sowohl Pfarrer Danninger als auch Schäfers Bruder hielten sich zu dieser Geschichte seltsam bedeckt. Ja, es stimmte schon, dass der Mann nach der Beerdigung seiner Tochter zwei Tage verschwunden war und sich dann gestellt hatte. Ja, Johannes hat damit wahrscheinlich schon zu tun gehabt, aber von Foltern wüssten sie nichts.
    „Wie hat er denn überhaupt davon erfahren, dass das Mädchen missbraucht worden ist? Hat sie sich ihm anvertraut?“
    „Nein, sicher nicht“, meinte Schäfers Bruder, „dann hätte er nicht gewartet, bis sie sich umbringt …“
    „Also wie dann?“
    „Ich habe keine Ahnung, Herr Bergmann … das ist fast dreißig Jahre her … irgendwie wird er es schon erfahren haben … hat er halt damals schon seinen berühmten Majorsinstinkt gehabt, was weiß denn ich …“
    „War er schon bei Ihnen? … Und lügen Sie mich jetzt nicht an, sonst vergesse ich unser bisher gutes Einverständnis …“
    „Wie … ja, war er … gestern Abend … und ist mit meinem Auto durch …“
    „Geben Sie mir bitte Typ und Kennzeichen durch …“
    Bergmann ließ die Tachonadel weiter nach rechts fahren. Als ob ihm die Geschwindigkeit dabei helfen könnte, eine Entscheidung zu treffen. Was würde passieren, wenn er Lorenz anrief und ihm seine Vermutung mitteilte? Nach der Explosion am Morgen lagen die Nerven beim BVT und den Sondereinheiten blank. Wer sagte ihnen denn, dass das die einzige Bombe gewesen war? Und wenn eine mit gleicher Sprengkraft in irgendeiner Tiefgarage, auf einer größeren Brücke, auf dem Gürtel oder mitten in der Stadt hochging: Haben Sie Wien schon in Asche gesehen?
    Nein, die würden Schäfer ziemlich sicher erschießen. Wohl der einzige Polizist, der ihm jetzt gefahrlos gegenübertreten und sagen konnte: Hallo, Herr Major, jetzt ruhen wir uns aber einmal ein bisschen aus, gell. Geben Sie mir die Waffe und machen Sie keinen Blödsinn – dieser Polizist war Bergmann selbst. Der sich jetzt bei 180 km/ h wieder und wieder das Gespräch mit dem Pfarrer und all die anderen Indizien durch den Kopf gehen ließ und bei allem Respekt und bei aller Liebe zu keinem anderen Schluss kommen konnte: Schäfer war nicht undercover, er spielte nicht den Erzengel Chamuel. Er hielt sich wirklich dafür.

57.
    So wie damals war das Gefühl. Als sie an Winternachmittagen Schneekugeln rollten und über einen Abhang stießen in der Hoffnung, eine Lawine zu verursachen. Meistens waren die Kugeln schon nach ein, zwei Metern stehen geblieben – verhungert, wie sie es genannt hatten. Manche wurden größer, legten an Geschwindigkeit zu. Und zerbrachen, bevor sie die Schneedecke zum Rutschen brachten. Ganz, ganz selten war es ihnen gelungen, wirklich ein Schneebrett auszulösen. Im Frühjahr, wenn auf den bereits aufgetauten Untergrund noch einmal reichlich Schnee gefallen war, der keine Haftung mehr aufnehmen konnte. Und der Moment, wenn er zu rutschen begann, dieses Geräusch, das Atemanhalten und Herzklopfen, das so erschreckende wie erregende Staunen, wenn die schwere nasse Masse talwärts schoss, gleichzeitig das Abducken hinter einen Baum, weil sie doch wussten, dass ihre Tat im schlimmsten Fall tödliche Folgen haben konnte; wussten sie es? Nein, sie spielten. Und sie hatten Glück gehabt. So wie bei den unzähligen Feuerspielen, wenn sie im Sommer mit einer Lupe trockenes Gras entzündeten und zusahen, wie der Brand sich ausdehnte, bis sie mit einer Wasserflasche oder dem eigenen Urin einschritten, um den Durst des Feuers zu ersticken. Einmal hatten sie es nicht geschafft. Es war Anfang September gewesen und seit mehreren Wochen hatte es bis auf die regelmäßigen Nachmittagsgewitter nie ausdauernd geregnet. Auf dem Areal, wo die alte Molkerei abgerissen und ein Neubau aufgrund von Budgetstreitigkeiten und Rationalisierungsbestrebungen der neuen Eigentümer unwahrscheinlich geworden war, trafen sich fast jeden Nachmittag die Kinder und Jugendlichen der Siedlung, um Blumenketten zu basteln, Schatzsucher zu spielen, die Übelkeit nach der ersten Zigarette oder die Unsicherheit nach dem ersten Zungenkuss auszukosten. Dort hatten Jakob und er aus Ästen, Resten von Dachpappe, leeren Zigarettenschachteln und anderem Unrat eine Flammenstraße gebaut, so wie andere Kinder durch Graben und Aufstauen am Rand kleiner Bäche Wasserstraßen schufen.

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