Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
Polizei und Spurensicherung, hinter den Absperrgittern Fotografen, Kameraleute und Schaulustige.
Die andere Realität, die für Bergmann im Augenblick wesentlich schmerzvoller war: Er hatte es verbockt. Sein romantisches Champagnerdinner war vorbei gewesen, bevor er die Flasche geöffnet hatte. Und er schämte sich; seit zwölf Stunden schämte er sich so sehr, dass er kaum geschlafen hatte. Allein schon dieser peinlichen Anmache wegen … wer war er denn? Ein Stelzbock ohne Stil und Würde. So einen Tiroler Feschak, den er nicht einmal kannte, um seine Nummer zu fragen … amour? Fou! Und dann das Desaster, das ihn so sehr beschämte, dass er jeden Moment damit gerechnet hatte, dass der Hotelmanager oder die Polizei oder ein aufgebrachter Mob mit Mistgabeln und Fackeln in sein Zimmer gestürmt käme, um ihn zu bespucken, einzusperren oder in die Ache zu werfen.
Also: Bergmann frisch geduscht, rasiert, bester Laune, die Zeichen stehen gut. Es klopft, er wirft sich einen Blick im Spiegel zu – kaum dass er sich wiedererkennt – und geht zur Tür. Hallo, komm herein, der Kellner aus dem Seecafé betritt schüchtern lächelnd das Zimmer, schlüpft halb aus der Lederjacke … stößt Bergmann wuchtig den Ellbogen gegen das Brustbein, reißt die Tür auf und ist verschwunden. Was war denn das gewesen? Noch einmal: Der junge Mann steht vor der Zimmertür, nervös, aber auch freudig erregt, atmet tief durch und klopft. Der Gast vom Nachmittag, macht auf, fescher Anzug, sympathisches Lächeln, er bittet ihn herein, im Hintergrund auf dem Servierwagen der Sektkübel mit einer Flasche Champagner drin, daneben, auf dem Schreibtisch … Scheiße, Handschellen, Pistole … Perversling, Psychokiller, raus hier!
Als Bergmann schließlich verstand, warum sein Rendezvous sich so verhalten hatte – nachdem er ihn mehrmals erfolglos anzurufen versucht hatte –, brachte ihn das keineswegs zum Lachen, sondern stürzte ihn völlig in Pein und Schmach. Die SMS , die er ohne lange zu überlegen verfasst hatte (Ich bin Polizist! Chefinspektor Bernhard Bergmann, Sicherheitsdirektion Wien, Ermittlungsgruppe Leib & Leben, frag bitte nach!), machte es auch nicht besser. Ein Mitglied der österreichischen Exekutive hatte sich schließlich so zu verhalten, wie es ihm die gesellschaftliche Konvention abverlangte: als Ordnungshüter. Und nicht als notgeiler Homosexueller, der wie ein hemmungsloser Sextourist nach knackigen Tiroler Männerärschen grapschte. Scham, o Scham, o grenzenlose Scham! Er traute sich nicht einmal zum Frühstücksbuffet geschweige denn noch einmal den Zimmerservice anzufordern. Mit einer Packung Erdnüssen und einem Orangensaft aus der Minibar setzte er sich aufs Bett und tat sich leid. Immerhin war Schäfer am Leben. Major Schäfer, Sie hätten sicher einen passenden Spruch für diese Situation auf Lager, oder? Na ja, werter Kollege, sieht ganz so aus, als hätten Sie die Arschkarte gezogen, hö hö hö! Bergmann grinste. Und erstarrte. War das eben Lorenz gewesen? Er stellte den Ton an zu den wackligen Kameraschwenks und Zoomfahrten, die eine Explosionsstelle, rauchende Trümmer, Polizisten, Forensiker, Feuerwehr, Medienmeute zeigten. „Auf der B 127 in Oberösterreich, zwischen Rohrbach und Neufelden, ist es heute in den frühen Morgenstunden zu einer schweren Explosion gekommen. Laut Auskunft der Polizei dürfte ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug für den Vorfall verantwortlich sein. Nähere Angaben zum Fahrer oder weiteren Opfern sind bisher nicht möglich. Live bei uns der Pressesprecher des Landeskriminalamts Oberösterreich …“
Bergmann folgte den Ausführungen des Beamten, sah abermals seinen Kollegen vom BVT im Hintergrund vorbeigehen, stand auf und holte sein Handy. Klar, irgendwann musste das ja ausfallen; er nahm den Ersatzakku aus seiner Tasche – wieso nicht jeder Polizist so einen dabeihatte, würde ihm nie einleuchten – und legte ihn ein.
„Bergmann, wo bist du? Ich habe dich schon ein paar Mal angerufen“, rief Lorenz ins Telefon.
„Wenn du ein paar Meter nach rechts gehst, dann sehe ich dich …“
„Was? … Wo?“
„Ich sitze vor dem Fernseher, du warst gerade im Bild … was ist los da oben?“
„Bumm! Was glaubst du? … Schau dir das Loch an! Da baue ich eine Tiefgarage hinein …“
„Glaubst du, das waren unsere?“
„Glauben? Ich hoffe es! Oder wollen wir, dass das jetzt zum Volkssport wird, hä?“
„Ich muss weg … wir hören uns später!“
Bergmann legte auf
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