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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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wie eine lang ersehnte Bestimmung in sein Leben getreten war; ein Mensch, der so viel Verständnis und Zuneigung ausstrahlte, dass man sich ihm mit geöffnetem Herzen an die Brust werfen wollte. Kein Klugscheißer, Sektierer oder Narziss wie die anderen, bei denen er im letzten Jahr auf Hilfe gehofft hatte, um sein Leben auch ohne Tabletten in den Griff zu bekommen. Kein selbst ernannter Heiler, der vorgab, an nur einem Wochenende all die schlechten Energien und Schwingungen und Besetzungen und so weiter auszuleiten, auf dass er selbstbestimmt und glücklich leben konnte. Was für Scharlatane! Und wie viel Geld er diesen Kretins in den Arsch geblasen, insgesamt in diesen Supermarkt der Sinnsuche und Selbstfindung getragen hatte. Für zwei Tage Euphorie, eine Woche Zuversicht und die baldige Wiederkehr der Hoffnungslosigkeit. Wie konnte man nur glauben, dass es irgendwo im Körper einen Schalter gab, den man umlegen konnte, und schon war alles wieder gut. Wie hatte er sich dieser Illusion hingeben können? Wenn er ein paar Stunden glücklich sein wollte, wäre es einfacher und billiger gewesen, ein paar Gramm reines Heroin aus dem Asservat zu klauen. Das war genauso falsch, aber zumindest ehrlich. Phillipe hingegen – der hatte ihm nie etwas versprochen. Der war ein Versprechen gewesen. Weil er keine oberschlauen Antworten gab, sondern die richtigen Fragen stellte – zumindest war ihm das bei ihren Treffen auf Réunion und in den folgenden Monaten so erschienen. Bis zum Sonnenaufgang hatten sie schon am ersten Abend miteinander gesprochen, zuerst in der Hotelbar, später, nach der Sperrstunde, auf den Strandliegestühlen, deren Teakholzbeine in rhythmischer Wiederkehr vom Meerschaum des Pazifiks umspült wurden. Wie ein Mantra hatte das rauschende Seufzen der Brandung auf ihn gewirkt, dazu der kräftige südafrikanische Wein, die Arbeit, das Verbrechen, die Toten und ihre Mörder in weiter Ferne; er hatte sein Herz ausgeschüttet, in einer Heftigkeit und Schonungslosigkeit, wie es ihm zuvor noch nie in den Sinn gekommen war. Ja, diese Nacht war voll gewesen, von Eruptionen, Erosionen, Emotionen … ohne chronologische, kausale, irgendeine Ordnung hatte er erzählt, mehr noch: gebeichtet, geweint, gelacht, sich im feuchten Sand gesuhlt, war nackt ins Meer gelaufen, hatte die Sterne angebrüllt … und Phillipe hatte es mit einem gütigen Lächeln, einer tröstenden Umarmung, einer Frage vergolten, die noch weiter ins Herz der Finsternis und des Lichts führte.
    Wie oft hatten sie sich danach getroffen? Er wusste es nicht mehr – mindestens drei, höchstens zehn Mal. Phillipe besaß kein Handy, keine E-Mail-Adresse, hatte ihm auch keine Wohnadresse mitgeteilt, wo er ihn besuchen oder zumindest einen Brief hinschicken konnte. Wäre nicht Isabelle mit ihm auf Réunion gewesen und hätte sich mehrfach abschätzig über Phillipe geäußert, hätte ihr Treffen dort den Charakter eines Wachtraums gehabt, einer schönen Halluzination, die so plötzlich gekommen wie verschwunden war. Kurz nach Silvester musste es gewesen sein, als sich Phillipe bei ihm meldete. Er war als Vortragender zu einem Seminar in einem Schloss in der Nähe von Wien geladen und fragte Schäfer, ob er Lust hätte, ihn dort zu treffen. Und er war hingeeilt wie zu einer verloren geglaubten Geliebten. Was hat mich da geritten, fragte er sich jetzt und schaute in den Rückspiegel, wo er das Zucken eines Paars Blaulichter erkannte. Ach du Scheiße, mit diesen kleinkarierten Autobahnordnungshütern hatte er nicht gerechnet. Hatten die nichts Besseres zu tun? Vielleicht ein paar Verrückte schnappen, die … was hatten sie vorgehabt? Sprengstoff … aber wer … Eisert war tot. Foster war tot. Das hatte ihm Jakob erzählt. Der tatsächlich einen Privatdetektiv bezahlt hatte, um ihn zu finden. Wo zum Teufel er gewesen wäre … ganz in der Nähe, eigentlich.
    Er reihte sich in die rechte Spur ein, ließ die Tachonadel auf hundertdreißig sinken und summte nervös vor sich hin, bis der Streifenwagen an ihm vorbeipreschte – mit mindestens hundertachtzig, wie er glaubte. Gut, diesem Raserbullen in sicherem Abstand und ähnlicher Geschwindigkeit zu folgen, wäre wohl die beste Chance, um nicht aufgehalten zu werden.
    Er versuchte sich zu erinnern, worum es bei diesem Seminar gegangen war: Wege aus der Krise?, telekinetische Energien?, morphogenetische Felder?, der Satan in Gestalt des Unmenschen? … Was auch immer, der Barocksaal war mit gut dreihundert

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