Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
Kilometer so viel zahlen, wie das Parkhotel mehr als meine Absteige gekostet hätte, amüsierte er sich, machte ein paar Dehnungsübungen und legte sich ins Gras. Angenehm berauscht fühlte er sich; die Endorphine, die ab einer Stunde Laufzeit den Körper fluteten und wie eine milde Droge wirkten. Das Gespräch mit Tannhäuser war nun viel weiter entfernt als die vielleicht zwei Stunden, die es tatsächlich zurücklag. Ja, er hatte sich nicht gut vorbereitet, war der unter Anfängern üblichen Fehleinschätzung erlegen, dass Stahlbeton und Gitter automatisch die Willenskraft und Intelligenz schwächten. Johannes, so hatte das Schwein seinen Major genannt; und er hatte sich nicht nur davon aus der Fassung bringen lassen. Nach einer Weile blickte Bergmann in den Himmel und sagte, halb im Ernst, halb im Scherz:
„Lieber Gott. Hilf mir bitte, diesen verfluchten Schäfer zu finden!“
Wie zur Antwort läutete sein Handy. Eine Vorwahl, die er auf die Schnelle keinem Land zuordnen konnte.
„Bergmann …“
„Err Bergmann? Von der Bundeskriminalamt Österreich?“, fragte eine aufgeweckte Frauenstimme.
„Ähm … ja … mit wem spreche ich bitte?“
„Josyane Brissonneau von der Staatsanwaltschaft Annecy … Sie suchen Informationen zu eine Mann mit Namen Marsant …“
„Ja … ja“, Bergmann setzte sich auf. „Woher wissen Sie das?“
„Sie haben veröffentlicht ein Bild bei Europol?“, fragte sie leicht neckisch.
„Ja, richtig“, erwiderte Bergmann, dem es eher darum gegangen war, ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen.
„Alors … diese Mann heißt nicht Phillipe Marsant, sondern Jean Plier … Err Bergmann?“
„Oui, ja … ich höre Ihnen zu, Madame …“
„Brissonneau … Sie haben gehört von Sonnentempler, Err Bergmann …“
„Ähm … das sagt mir jetzt wenig …“
„Ah, bon … das ist sehr viel zu erklären … wir suchen Jean Plier aufgrund von … comment dit-on? … Mord auf Verlangen …“
„Tötung auf Verlangen …“
„Oui, merci … viele haben geglaubt, er ist tot … aber ich war sehr unsicher … wissen Sie, wo sich diese Mann aufhält, Err Bergmann?“
„Nein, leider nicht … ich suche ihn ja selbst“, Bergmann konnte sich überhaupt keinen Reim auf diesen Anruf machen, „was hat denn Herr Marsant, also Plier, getan?“
„Möglicherweise er ist verantwortlich für Selbstmord von mehrere Menschen in Massiv von Vercors, bei Saint-Pierre-de-Chérennes … Sie haben nicht davon gehört?“
„Nein, wann war das?“
„Im Dezember 1995 … ich kann Ihnen schicken Dokumente, wo Sie das alles erfahren … wir haben das auch in Deutsch wegen Kooperation mit Fribourg in Schweiz … d’accord?“
„Oui, d’accord … dann sehe ich mir das an und … und ich rufe Sie zurück … ich gebe Ihnen noch meine E-Mail-Adresse …“
„Die habe ich, Monsieur Bergmann … die haben Sie hinterlassen …“
„Ja …“, Himmel, er konnte doch halbwegs französisch! Warum war er jetzt nicht in der Lage, ein paar Fragen zu stellen, die ihm zumindest eine Ahnung verschafften, worum es hier ging.
„Alors, bis bald, Err Bergmann …“
„Oui … à bientôt … und merci …“
31.
Er war tatsächlich mit dem Taxi ins Stadtzentrum von Krems zurückgefahren, hatte geduscht, sich umgezogen, und war anschließend in ein Viersternehotel in der Nähe gegangen. Dort zeigte er seinen Ausweis und bat die Rezeptionistin, ihm einen Computer und einen Drucker zur Verfügung zu stellen.
„Internet haben wir für die Gäste hinten in der Lounge … aber Drucker ist nur bei mir einer da“, erwiderte sie, worauf Bergmann sie schweigend anschaute, bis sie verlegen die hüfthohe Schwingtür in ihr privates Reich aufzog.
Er öffnete den Web-Account und rief seine Mails ab. Die Nachricht von Josyane Brissonneau trug den Absender des französischen Landesgerichts vom Departement Haute-Savoie. Im Anhang befanden sich insgesamt zwölf Dokumente – vier Textdateien, zwei pdf -Dateien und sechs Bilder. Er doppelklickte sie der Reihe nach durch und sandte die geöffneten Dateien ungesehen an den Drucker. Die Aufnahme mit den Fingerabdrücken leitete er ans kriminaltechnische Labor weiter.
Krt, krt, krt … das nicht aufhören wollende Rattern des Druckers erinnerte Bergmann an einen Vormittag vor Jahren, als er mit Schäfer in der Innenstadt unterwegs gewesen war und dieser nur kurz in ein Bankfoyer wollte, um Bargeld zu beheben und seine Kontoauszüge auszudrucken. Bestimmt zehn
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