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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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weiterer Folge brachte Jouret alle seine Anhänger in die Gemeinschaft seines Freundes Di Mambro ein. Aus diesem Zusammenschluss entstand der Orden der Sonnentempler, die nun neben ihren Zentren in der Schweiz und Frankreich auch in Kanada Verbündete hatten.
    Spätestens 1985 wurde Jean Plier zum Sonnentempler ernannt und in Folge von Di Mambro und Jouret bei ihren spirituellen Sitzungen als aufgestiegener Meister des Lichts präsentiert, durch den die Botschaften der acht von ihnen erkannten Erzengel ihren Ausdruck fanden. Nach außen hin blieben die Sonnentempler, deren Anzahl zu dieser Zeit auf achthundert geschätzt wurde, unauffällig – sie waren Ärzte, Anwälte, Politiker oder sonst wie finanziell und gesellschaftlich gut gestellt, gingen ihren Berufen weiterhin nach und füllten die Kassa des Ordens mit gehörigen Mitgliedsbeiträgen. Die Heilslehre der Sonnentempler, die sich aus Gralsrittertum, mittelalterlicher Mystik, Astrologie, Reinkarnationstheorien und anderen Zutaten zusammensetzte, sah jedes Mitglied als Wiedergeburt einer bedeutenden historischen Persönlichkeit an, die je nach vormaliger Lebensführung gewaltig Buße zu tun oder eine leitende Funktion in der künftigen Heilsgeschichte des Ordens hatte. Die weniger begüterten Mitglieder hatten also beispielsweise Hitler am Buckel und mussten ab vier Uhr morgens bis zum Umfallen schuften, während die reichsten als Albert Schweitzer oder Franz von Assisi ihre Kräfte schonen durften. Die beiden Führer sahen sich selbst wahlweise als Reinkarnation von Osiris, Moses oder eines mittelalterlichen Mönchs – Di Mambro trat bei Zusammenkünften bevorzugt als geheimnisvoller Großmeister auf, dem durch das Schwert Excalibur kosmische Kräfte verliehen worden waren. Jean Plier galt zu diesem Zeitpunkt als Avatar der Götter, dem die Pflicht in die Wiege gelegt worden war, den Antichristen zu vernichten. Je näher das Millennium rückte, desto vehementer stellten die Führer des Ordens die nahende Apokalypse in den Mittelpunkt ihrer Lehre. In einem undurchsichtigen Auswahlprozess erklärten sie hundert Familien als auserwählt, um in besonderen Enklaven die Apokalypse zu überleben – auf Landgütern in Frankreich, Kanada, auf Réunion und in der Schweiz, die zum Immobilienimperium der Ordensführer gehörten. Deren rege Geschäfte hatten mittlerweile erneut die Behörden auf den Plan gerufen, die vom Ideal der Geheimhaltung wenig hielten und gegen Di Mambro und Jouret wegen Betrugs und Waffenhandels ermittelten. Gegen diese Unbill des Regimes und die nicht Zugehörigen generell entwickelten die beiden 1994 den Plan, nach einem kollektiven Tod im Sternensystem des Sirius wiedergeboren zu werden und eine neue Menschheit zu begründen. Dann wurde es blutig.
    Vor Bergmann landete eine mächtige Portion Penne auf dem Tisch – der Italiener hier hatte offensichtlich gelernt, dass man in Österreich nach primi piatti keinen Hunger mehr haben sollte. Er legte sich die Stoffserviette auf den Schoß und nahm einen Schluck Veltliner. Verrückte hatte er in seinem Beruf ja schon reichlich erlebt … aber solche Freaks … und wieso kannte er als Mordermittler diesen Orden nicht … hatte vielleicht einmal den Namen aufgeschnappt und wieder vergessen … in Wien musste er gleich bei Wikipedia nachschauen … vielleicht hatte diese Josyane das alles nur erfunden … aber wozu … außerdem besaß sie nicht nur eine Mailadresse der Staatsanwaltschaft von Annecy, sondern auch zahlreiche Unterlagen, die einer Zivilperson nicht zugänglich wären … darunter Plier/Marsants Fingerabdrücke … Plier, über den Bergmann auf den bisherigen Seiten nichts erfahren hatte, außer dass er Mitglied dieses obskuren Ordens gewesen war … und weiter? … verrückt sein war zum Glück noch legal, und dabei erinnerte sich Bergmann nun ausnahmsweise nicht an Schäfer, sondern an seine Volksschulzeit und die Zwillingsschwestern in der Bank hinter ihm. Forsthuber? Fastenhuber? Faistenhuber? Egal, die Schwestern beziehungsweise ihre Eltern gehörten irgendeiner religiösen Bewegung oder Sekte oder nicht anerkannten Religionsgemeinschaft oder neuen Kirche an, die sich einen Tag im Mai des Jahres 1982 ausgesucht hatte, um den Weltuntergang zu überleben – gemeinsam mit einer Schar Auserwählter, die sich mit Bussen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz in die Steiermark karren ließen und in weißen Gewändern auf die Rax stiegen. Davon hatten Bergmann und die anderen

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