Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
ich in meinem Bett zwischen den dicken Kissen und der Decke zusammen, schloss meine Augen und versank in schmerzlicher stiller Trauer - Tränen hatte ich keine mehr!
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Mantikor
Der Frühling kehrte nach England zurück, früher als sonst, und es verging kein Tag, an dem ich nicht mit Alice über dem Meer geflogen bin. Sie in Form des Windes, ich mit meinen großen wunderschönen Engelsflügeln, an die ich mich sehr gut gewöhnt hatte.
Es wurde für mich ein Ritual, das mittlerweile ganz in mich übergegangen war. Immer zur gleichen Zeit, wenn die Sonne sich mit dem Meer ein letztes Mal vereinte, stand ich an der Klippe, erhob mich mit meinen Flügeln und flog mit ihr. Am Anfang kam Jadon mit, aber ich gab ihm zu verstehen, dass ich diese Zeit allein verbringen wollte. Ich tat mich wirklich schwer, Alices Tod zu akzeptieren und zu verstehen. Bei meinen Eltern war ich noch zu klein, um wirklich verstehen zu können und bei Marcia und Gregory Jonsens tat es mir zwar auch weh und ich war durchaus traurig gewesen, aber es war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den ich seit Alices Tod nun jeden Tag fühlen musste. Ich war der festen Überzeugung, dass, wenn ich dieses Ritual allein durchzog, es schon besser würde - eines Tages.
Mich plagten Schuldgefühle! Auch wenn mir die anderen etwas anderes versuchten einzureden, so kam ich nicht an der Tatsache vorbei, dass sie letztendlich meinetwegen getötet worden war. Vermutlich hätte selbst Alice dies als Unsinn abgetan, aber gegen meine Gefühle konnte kein Wort der Welt etwas ändern. Und dann kamen da noch die Schuldgefühle in Bezug auf meine Eltern hinzu. Nicht zu zerbrechen, war für mich schwer, aber der Gedanke, sie alle zu rächen, gab mir momentan die einzige Kraft weiterzumachen.
Was ich aber nicht wusste, war, dass Jadon trotz meiner Ablehnung dennoch kam. Heimlich, still und leise tauchte er im Wald unter. Nicht, um mich zu beobachten, sondern um mich zu beschützen. Seit Alices Tod trat er kaum von meiner Seite. Selbst wenn ich dachte, ich wäre allein, so war er stets verborgen in den dunklen Schatten und wachte über mich. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb ich kaum noch Angst bekam, selbst wenn ich fast jede verdammte Nacht wieder diese Bilder und Emotionen in meinen Träumen hatte. Gefühle, die ihre waren und nicht meine. Ihre Angst, die ihre Kehle zum Austrocknen brachte und Schreie unmöglich machten. Panik, die ihr den Schweiß über den Rücken laufen ließ.
Ich sah sie sterben, immer und immer wieder! Jede Nacht aufs Neue und es fing an, mich innerlich auffressen zu wollen, doch meine Rache ließ dies nicht zu.
In den letzten zweieinhalb Monaten hatten wir alle versucht so viel wie möglich über diese Mantikore herauszufinden, und ihren Ursprung ausfindig zu machen. Während Arthur sich im Februar auf den Weg nach Palermo in Italien machte, versuchten Cyrill und Annabelle ihr Glück in den Niederlanden. Francis blieb bei uns in Vanicy, damit die Menschen dort keinen falschen Verdacht hegten. Und wenn doch, lag es an ihr, ihnen eine Geschichte auf die Nase zu binden. So hatte sich Arthur im Krankenhaus aufgrund einer familiären Notsituation, was im Grunde noch nicht einmal richtig gelogen war, abgemeldet und Urlaub genommen. Francis wurde immer wieder über den Doktor Cartwright ausgefragt, was in erster Linie aufgrund der Neugierde der Menschen geschah, aber einige von ihnen sorgten sich tatsächlich um den beliebten Doktor. Somit hieß es bald, Arthurs Tante würde es sehr schlecht gehen, und da er der einzige Nahverwandte sei, würde er es als seine Pflicht ansehen, sich um sie zu kümmern! Cyrill und Annabelle wurden schlicht von der Universität abgemeldet und der Grund interessierte dort niemanden. Es wurde versichert, sie lieferten alle Arbeiten fristgerecht ab. Was natürlich für beide ein Kinderspiel war, denn es war ja nicht ihr erster Besuch und würde nicht ihr Letzter sein.
Ich dagegen kam mittlerweile tatsächlich etwas besser zurecht und ging auch wieder regelmäßig in die Uni. Nicht zuletzt, weil die nächsten Arbeiten anstanden, aber auch, weil ich meinen Träumen entfliehen wollte und musste, denn so konnte es nicht mit mir weitergehen. Dank meines Privatlehrers Jadon konnte ich es mir auch leisten, einige Stunden ausfallen zu lassen. Auch übte ich in jeder freien Minute, wo es nicht um Uni oder Mantikore ging, an meinen Fähigkeiten. Das Fliegen klappte mittlerweile so gut, als hätte ich nie etwas anderes
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