Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
kleinen Erfolg haben wir es uns auch verdient.«
11
Die Cutcher
Es war schon merkwürdig, wie schnell die Menschen nach so einem tragischen Ereignis wieder in den Alltag zurückfinden. In der Universität, in der ich mich mittlerweile wieder öfter zeigte, ging es zu wie sonst auch. Die Dozenten wirkten zum größten Teil genervt, viele Studenten waren gestresst und liefen aufgescheucht durch die Gänge und andere wiederum lehnten gelangweilt an den Wänden und unterhielten sich. Jadon war nicht an meiner Seite, als ich durch den langen Flur der Vanicy University schlenderte und mich völlig fehl am Platz fühlte. Er hatte sich zusammen mit Francis auf den Weg nach Italien zu Arthur gemacht, der möglicherweise auf weitere Spuren gestoßen war. Allein wäre dieses Unterfangen auch für einen starken und erfahrenen Slinner, wie er es ist, schwierig geworden, da niemand genau vorhersagen konnte, was passieren würde. Aber dennoch musste ich Jadon überreden, wegzugehen. Ich gab nach Außen hin mein Bestes, um so normal wie möglich zu erscheinen, aber in mir klaffte ein dunkles schwarzes und leeres Loch.
Einige der Studenten und Dozenten schauten mich noch etwas zurückhaltend an, während mich andere zum Glück völlig ignorierten, was mir, um ehrlich zu sein, am liebsten war. Claire war die Erste von meinen Freunden, die ich im Kursraum traf und gleich, als sie mich sah, deutete sie auch schon auf den leeren Stuhl neben sich.
»Hallo Claire.«
»Enya, schön dich endlich wieder zu sehen. Geht’s dir gut? Wieso hast du in letzter Zeit nur einige deiner Kurse besucht? Dachte schon, du lässt dich hier bei uns im Kurs gar nicht mehr blicken.«
Ich stöhnte leise vor mich hin, ehe ich mit einem möglichst freundlichen Lächeln antwortete. »Sicher, es geht immer besser. Am Anfang konnte ich einfach noch nicht so viele Kurse besuchen, aber jetzt, wo die ersten Prüfungen bevorstehen, muss ich wieder ran und es ist auch besser so. Und selber - wie geht’s dir?« Ich setzte mich neben sie und packte den Rucksack auf meinem Schoß.
»Gut«, sie lächelte, »ich bin jetzt mit Patrick zusammen.«
»Oh, okay, das ist ... schön. Wow.« Mit so einer Neuigkeit hatte ich zwar nicht gerechnet, aber Claires Strahlen setzte den ganzen Raum so sehr ins Funkeln, dass man sich einfach nur mit ihr freuen konnte.
In der dritten Vorlesung kamen auch Ruben und Patrick dazu und fast wäre es so wie früher gewesen. Aber nur fast. Ich fühlte mich, als wenn ich alles durch einen dicken Schleier betrachtete. Patrick und Ruben, die ihre Späße machten und neuerdings nun Claire mit Patrick, das neue Liebespärchen. Ich hatte mir die ersten zwei Stunden unentwegt das Liebesglück von Claire und Patrick anhören müssen. Ich freue mich ehrlich für sie, aber was genug war, war genug. Für so viel Freude war ich momentan nicht aufgelegt, wollte es mir aber auch nicht zu sehr anmerken lassen.
Nach dieser Vorlesung packte ich meine Sachen und flüchtete aus dem Raum, aus dem Gebäude und vor den Menschen, die dort waren. Mein Herz raste, einige Schweißperlen standen mir auf der Stirn und meine Hände waren schon ganz feucht, als ich einfach losrannte, ohne zu wissen, wohin. Als ich endlich wieder das Gefühl hatte, Luft zu bekommen, wurden meine Schritte immer langsamer und ich beruhigte mich wieder. Ich war direkt durch den Wald in Richtung Klippen gerannt und den Rest des Weges dorthin ging ich nun wesentlich ruhiger und besonnener. Als ich bei den Klippen, oder wie ich diese Stelle mittlerweile nannte, bei Alice, war, setzte ich mich, wie so oft davor, auf einen der Steine, stellte meine Tasche daneben und schaute auf das tosende Meer. Das Wetter hatte umgeschlagen, Regen kündigte sich an und der Wind peitschte immer kräftiger über das Meer.
»Ach, Alice. Ohne dich macht es einfach keinen Spaß mehr. Die Stunden heute waren so langweilig.« Ich stöhnte leise, schloss meine brennenden Augen und rieb kurz darüber. Ich schaffte es, die Tränen zurückzuhalten. All die Jahre hatte ich nie wirklich weinen müssen und zuletzt hatte ich jetzt auch keine mehr, aber nun schien es mir fast so, als würde ich bei jeder kleinen Gelegenheit heulen müssen. Etwas, was ich dringend abschaffen musste.
»Du weißt ja sicherlich noch nicht das Neueste. Claire ist jetzt mit Patrick zusammen ... ja, ich war auch überrascht. Obwohl, du hast es ja geahnt mit den beiden. Hast recht gehabt, Süße. Ich hätte das nicht gedacht, aber sie scheinen
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