Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
die anderen gerade versammelt hatten, um zu besprechen, wie sie weiter vorgehen sollten. Die letzten Stunden hatten sie gesucht, aber ohne Erfolg. Als sie uns bemerkten, wurde es still im Raum und alle Augen richteten sich auf uns.
»Sie weiß, wo Alice ist«, brach Jadon das Schweigen im Raum.
»Bringt mich sofort dorthin. Schnell«, betonte ich meine Aufforderung. Keiner zweifelte an meiner Feststellung oder fragte nach. Nur Stewart stand noch unentschlossen neben Francis und wusste nicht, was er davon halten sollte. Wie sollte er auch! Hatte er doch keine Ahnung von existierenden Vampiren und Engeln, geschweige denn, dass er sich in einem Raum mit Slinners und einem weiteren Halbengel befand.
Wie in Trance ging ich an allen vorbei und stieg draußen in das Auto der Cartwrights, das Cyril in der kurzen Zeit, während ich schlief, hergefahren hatte. Immerhin mussten alle anderen weiterhin denken, sie würden die Gegend mit dem Auto absuchen. Bis auf Francis kamen auch alle mit. Diese blieb bei Stewart und versuchte ihn davon zu überzeugen, dass ich lediglich unter Schock stünde, denn immerhin hatte ich gerade meine beste Freundin unter schrecklichen Umständen verloren. Dies verstand er und fragte nicht weiter nach.
Wir mussten bis an den Rand der Nachbarstadt St. Claires fahren. Ich lotste Jadon, der das Auto fuhr, auf einen naheliegenden Parkplatz, an dem ein Wald grenzte. Meine Augen hatten einen goldenen Schimmer, und obwohl ich wusste, was ich sagte und tat, fühlte ich mich wie in Trance und fremd geleitet.
»Jetzt müssen wir zu Fuß weiter. Und zwar schnell. Sie soll dort nicht so lange allein liegen.«
Die vier verstanden, auch wenn sie die ganze Sache weitaus vorsichtiger angingen, wie ich es wollte. Sie hatten alle ihre Sinne geschärft, und während mich Jadon mit einem Ruck auf seinen Rücken nahm, überblickte jeder von ihnen die Umgebung, um mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen.
Mit einer unglaublichen Schnelligkeit rannten wir durch den Wald. Trotz meines neuen Lebens als Halbengel hatte ich ja noch keine Gelegenheit gehabt, mich mit meinem neuen Leben und den dazugehörigen möglichen Fähigkeiten entsprechend zu beschäftigen. Somit war ich fürs Erste weiterhin auf die Hilfe der anderen angewiesen.
Hier und da wichen sie Bäumen, Sträuchern oder herumliegenden größeren Ästen aus, während ich ihnen die Richtung vorgab. Dann ließ ich sie abrupt anhalten. Der Wald war groß und dicht, die Bäume standen jetzt noch enger beieinander und ließen kaum Tageslicht rein. Es roch nach modriger Erde.
Ich ging einige Meter weiter, bis wir vor einer sehr alten und unglaublich dicken Eiche standen. Ich schluckte, mein Herz raste und mir wurde schlecht, als ich langsam die Eiche umrundete, während die Vier etwas weiter hinter mir blieben. Ihr Geruchssinn war sehr gut und daher wussten sie, was mich erwartete. Dann sah ich sie auch schon. Zuerst nur ihre Füße, dann die Beine und dann ihren ganzen Körper.
»Alice«, hauchte ich vorsichtig ihren Namen, als wolle ich sie nicht erschrecken. Sie saß mit dem Rücken leicht angelehnt an der dicken Eiche, etwas Laub bedeckte ihre Beine und ihr Kopf ruhte auf ihrer rechten Schulter. Sie sah aus, als wäre sie einfach nur eingeschlafen. Ich kniete mich neben sie und berührte vorsichtig ihre bereits kühl gewordene Hand, während ich mit meiner Linken ihr Haar, das zerzaust in ihr Gesicht hing, vorsichtig zur Seite schob. Es kam keine Reaktion ihrerseits, ich hatte auch keine erwartet und dennoch schien ich Hoffnung gehabt zu haben. Ich schloss meine Augen, berührte weiterhin ihre Hand und plötzlich tauchten Bilder vor meinem inneren Auge auf. Als ich sie wieder öffnete, verkrampfte sich mein Magen noch stärker als zuvor. Ich hatte einfach alles gesehen, als wenn man den Fernseher einschaltet und einem Verbrechen zuschaut. Wie zwei Gestalten sie hierher gebracht hatten und ich konnte auch Alices Angst spüren, während sich nach einiger Zeit ein Vampir langsam und genussvoll an ihrem Blut ergötzte. Meine Hände zitterten, als ich vorsichtig ihren Kopf hochschob und in ihre noch mit Panik offen stehenden Augen sah. Der Anblick war schrecklich, an ihrem Hals waren die Bisswunden des Blutsaugers, sowie getrocknetes Blut zu sehen, aber ich schluckte die Angst und den Würgereiz hinunter.
»Verzeih mir, Alice, es tut mir so unendlich leid.« Dann schloss ich ihre Augen mit meinen Fingern und legte ihren Kopf vorsichtig zurück auf ihre
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