Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
sein konnte, verdankte ich Patrick und Ruben.
»Sind die beiden eigentlich immer so?«
»Eigentlich ja. Wenn ich mal so darüber nachdenke«, Claire lachte, »habe ich die noch nie anders erlebt.«
»So sind wir eben ...« Patrick grunzte, als Ruben ihn kurzerhand in den Schwitzkasten nahm.
»Besser als immer so stocksteif wie Misses Lansky zu sein«, sagte Ruben unter grölendem Lachen.
»Pst, die Herrschaften! Ich muss doch wirklich bitten. Benehmen sie sich gefälligst«, keifte Misses Lansky, die Bibliothekarin, auch schon in leisem, aber strengen Tonfall. Dies hatte natürlich zur Folge, dass wir uns alle das Lachen nur noch schwerer verkneifen konnten und als Misses Lansky wieder zu ihrem Platz zurückging, ahmten die beiden Jungs sie auch gleich nach. Die Hausarbeiten, die wir bald abgeben mussten und weshalb wir ursprünglich in die Bibliothek gekommen waren, musste also warten. Obwohl ich ansonsten immer sehr diszipliniert in solchen Fällen war, machte ich hier gerne eine Ausnahme. Ich fühlte mich richtig wohl, das Lachen kam ehrlich und aufrichtig aus mir heraus und ich fühlte mich so gut, wie schon lange nicht mehr.
Draußen wurde es dunkel, als ich mich von den anderen verabschiedete und gut gelaunt zu meinem Auto ging. Es war ein schöner lauwarmer Herbstabend, vermutlich einer der Letzten, bis die Winterkälte endgültig zu uns kommen würde. Der Duft von Regen lag in der Luft. Wie ich diesen Geruch liebte, zumal dieser in Arizona immer Mangelware gewesen war. Jetzt wollte ich aber schnell nach Hause, es mir in meinem Zimmer gemütlich machen und den restlichen Abend mit einer heißen Tasse Tee genießen. Außerdem wartete noch etwas Arbeit für mein Referat morgen auf mich, wo ich auch noch hinterherhinkte. Bei diesem Gedankengang musste ich lachen. Ich hatte mich die letzten Tage so gut mit meinen neuen Freunden abgelenkt, dass ich für die Uni fast rein gar nichts fertig bekommen hatte. Aber das war mir so was von egal. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Freunde, die mir gegenüber ehrlich und aufrichtig waren und die ich schon nach so kurzer Zeit fest in mein Herz geschlossen hatte. Allen voran natürlich Alice. In Arizona hatte ich zwar auch ein paar Freunde und auch eine etwas bessere Freundin, Cecilia, gehabt. Doch nachdem Cilia, wie ich sie immer nannte, vor über vier Jahren überraschend und urplötzlich wegziehen musste, hatte ich niemanden mehr, mit dem ich richtig quatschen oder mich ausheulen konnte und der mich einfach verstand und für mich da war, so wie ich für ihn.
»Oh verdammt! Bitte nicht jetzt.« Ich verfluchte mein Auto und meine gute Laune war erst einmal wieder verschwunden. Mein Auto wollte einfach nicht anspringen, was aufgrund der Jahre, die dieser Pick-up bereits hinter sich hatte, durchaus nicht ungewöhnlich war. Stew hatte mich darüber informiert, dass der Wagen schnellstmöglich noch einmal überholt werden müsste, aber ich hatte gedacht, es hätte noch etwas mehr Zeit gehabt. Es waren bestimmt zehn Kilometer bis nach Hause und die Straßen wurden nur zum Teil beleuchtet, was also nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen einsamen abendlichen Spaziergang waren. Ich war bestimmt kein Angsthase, aber ich konnte mir durchaus Besseres vorstellen, als abends allein an diesem dunklen Wald vorbeigehen zu müssen. Ich schaute noch mal schnell an der Bibliothek vorbei, aber sie war geschlossen, die anderen waren natürlich auch schon längst weg und über ein Handy, um Stew anrufen zu können, verfügte ich auch noch nicht. Kurz fluchend packte ich meinen MP3-Player aus, warf mir meinen Rucksack über die Schulter und machte mich auf den Weg. Jammern half mir jetzt sowieso nicht weiter und je länger ich hier stehen würde, desto später und dunkler würde es werden. Außerdem tat mir etwas frische Luft durchaus gut, nachdem ich den ganzen Tag nur in irgendwelchen Räumen zugebracht hatte.
Dank der Musik, die in meinen Ohren dröhnte, ich stand zurzeit auf Rockballaden, was ich durchaus auf mein Gefühlschaos zurückführte, war ich schnell in meine Gedanken und die Musik versunken und nahm nur noch wenig um mich herum wahr. Ich hatte bereits die ersten vier Kilometer zurückgelegt, bemerkte jedoch aufgrund meiner lauten Musik, in die ich mittlerweile völlig versunken war, das heranfahrende Auto leider erst viel zu spät. Ich hatte noch nicht einmal mitbekommen, dass ich mitten auf der Fahrbahn, statt am Straßenrand, weitergelaufen war. Erst
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