Engelsauge-Nacht des Todes (German Edition)
mehr zu sehen oder zu hören.
Langsam ging er wieder zu seinem Versteck zurück und
wartete, bis die Polizei endlich abrückte.
Ebenfalls zur gleichen Zeit, weit weg von all den
Menschen die sie liebten und die sich um sie sorgten,
krümmte sich Enya vor Schmerzen.
Sie war noch nicht lange bei Bewusstsein gewesen, als
Kenneth in ihr Versteck zurück gekommen war. Er war
wütend, das konnte sie sofort erkennen. Doch es war
noch mehr. Kenneth Bowler war gekränkt und verletzt
worden und dies von einem nichts sagenden
Mischwesen, wie Enya es war und wie er sie manchmal
nannte. Wie er sie hasste und verabscheute. Und dieser
Hass, dieser Zorn, wurde noch schlimmer, als er sie
wieder vor sich sitzen sah. Er sprach sie kurz an, bat
sie, dass sie ihre Kette abmachen solle, doch sie
verneinte und ihre blauen Augen funkelten ihn einfach
nur an.
Da kam es über ihn und er schlug und trat auf sie ein,
bis sie krümmend und vor Schmerzen leise wimmernd
vor ihm auf dem Boden lag.
Dann ging er wieder hinaus, verriegelte die Tür von
außen und ließ Enya alleine zurück. Er musste sich
beruhigen, einen klaren Kopf bekommen und überlegen,
wie genau er vorgehen wollte. Er war so kurz vorm Ziel
und durfte sich jetzt keinen weiteren Fehler erlauben.
Im Bunker war er zu gierig gewesen, das würde ihm
jetzt nicht noch einmal passieren.
Es dauerte bis spät in die Nacht, als Enya endlich die
Kraft hatte, sich hinzusetzen und an die Wand zu
lehnen. Sie hielt ihre Arme verschlungen vor ihrem
Bauch, hatte das rechte Bein angewinkelt und atmete
jetzt leise vor sich hin. Ihre Tränen waren mittlerweile
auf ihrem Gesicht getrocknet und auch die offenen
Wunden an den Armen hatten sich wieder beruhigt.
Ihr linkes Bein schmerzte, doch es war zu finster, als
das sie etwas hätte sehen können.
Was genau wollte er nur von ihr?
Sie konnte sich längst wieder an alles erinnern und
somit auch daran, dass er sie hatte beißen wollen.
Es muss die Kette ihrer Mutter gewesen sein, die sie
beschützt hatte.
Wollte er sie verwandeln, weil er es damals nicht
geschafft hatte?
Oder wollte er sie einfach nur aussaugen und sterben
lassen? Es machte alles keinen Sinn. Den Aufwand den
er hier machte, ließ darauf schließen, dass es Kenneth
Bowler noch um irgendetwas anderes ging.
Aber egal was es war, ihre Kette würde sie niemals
ablegen, dachte sie, während sie erschöpft die Augen
schloss und einschlief.
Jadon war längst auf die Terrasse gegangen, um damit
den Unterhaltungen im Haus zu entkommen.
Er fühlte sich so schlecht und mies, wie er es nicht hätte
in Worte fassen können. Das Einzige, was ihm noch
blieb, war die stille Hoffnung, seine Enya gesund wieder
zu bekommen.
„Hey, da bist du ja. Schön ruhig hier draußen“, sagte
Cyril und stellte sich neben seinen Bruder.
Eine ganze Weile sagte niemand von ihnen etwas, sie
lauschten einfach dieser Stille. Nichts und niemand war
zu hören. Selbst nicht für sie.
„Wo ist eigentlich William?“
Jadon schaute seinen Bruder fassungslos an. Daran
hatte er gar nicht mehr gedacht.
„Dieser verdammte Mistkerl. Ich hab es doch geahnt.“
Jadon ballte seine Hände zu Fäusten, verkniff es sich
aber, seiner Wut Ausdruck zu verleihen und löste sie
wieder.
„Er ist ein Vampir, was anderes kann man von ihnen
nicht erwarten.“
„Als wenn ich das nicht gewusst hätte, Cyril. Was hätte
ich deiner Meinung nach denn tun sollen?“
Cyril klopfte seinem Bruder auf die Schulter und ließ die
Hand dort ruhen.
„Du hast nichts Falsches getan. Es hätte klappen
können, aber offensichtlich hat es das eben nicht. Wir
finden Enya auch so und diesem William knipsen wir das
Licht aus, wenn wir ihm wieder begegnen.“
Jadon lächelte Cyril leicht gequält an. Es tat gut einen
Bruder wie ihn zu haben. Er konnte sich auf Cyril
verlassen. Das konnte er schon immer. Doch in diesem
Moment war nicht er der große Bruder, wie sonst bisher,
sondern Cyril.
„Doch“, sagte Jadon, „ich habe versagt und alles falsch
gemacht. Ich habe sie alleine gehen lassen, mich nicht
informiert, was sie machen wollte und ich habe diesem
Vampir etwas Vertrauen geschenkt, weil Enya es auch
tat. Ich habe alles falsch gemacht“.
Cyril stellte sich mit einem Satz vor Jadon und umarmte
ihn fest. Jadon erwiderte diese seltene, aber liebevolle
brüderliche Umarmung. Cyril verkniff es sich, das zu
sagen, was er dachte, um es Jadon nicht noch
schlimmer zu machen.
Dann gingen sie zurück ins Haus, um mit den Anderen
die weitere Vorgehensweise zu
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