Engelsberg
ehrerbietig einen monumentalen Trog auf den Tisch, in dem die nach kreolischer Art mit Okra geschmorten Kaldaunen gereicht wurden.
»Der Fisch!«, befahl Doña Rosa.
Fünfzig Sklaven brachten einen Manatí, eine in der Bucht von Mariel gefangene Rundschwanzseekuh, gedünstet in saurer Soße, Kokosraspel und Affenfett.
»Die Bratwürste!«, kommandierte darauf die Gastgeberin.
Und sofort trug der kräftigste Koch des Guts als besonderen Gruß an die Herrin ganz allein ein überdimensionales Tablett mit Spiegeleiern und endlosen Schlangen sich in Schweinefett kringelnder Bratwürste herbei.
»Das Kaninchen!«
Jedes der hungrigen Mäuler zerfetzte und verspeiste fünf dieser liebreizenden Vierbeiner.
»Die Getränke!«, befahl nun Don Cándido.
Und neben jede der Damen wurde ein Krug voll mit erfrischender Champola aus Stachelannonen gestellt, ein weiterer mit Champola aus Mischfrüchten, einer mit Anis, einer mit Wermut sowie mehrere Krüge Rotwein. Die Herren für ihren Teil tranken jeder ein Fass Champagner La Veuve, ein Fass französischen Cognac sowie eines mit Desnoes-Rum des gleichnamigen Fabrikanten aus Jamaika.
»Ich bekomme langsam Appetit«, sagte da der Doktor.
Woraufhin Doña Rosa nicht länger warten mochte und dem Koch befahl, die Delikatessen aufzutragen, mit denen sie schon vor Monaten den wundervoll kunstfertigen Meister seines Fachs betraut hatte.
Im Handumdrehen bedeckte sich der Tisch mit Leguanen in Kräutertunke, Kraken in Kokosmilch, Kolibrileber, Austern in Orchideensaft, Wasserschildkröten in Sojasoße, Schnabeltier-Eiern, spanischen Spritzkuchen in Kaviar, Krokodilsgrieben, Sittichzungen, Renfleischklößen, mit Neunaugenrogen gefüllten Bunttodi-Herzen sowie, nebst manch anderem Gaumenkitzel, Robbenwinzlingen, deren Muttertiere mit Brigantinen von Cape Hatteras herbeigeschafft und die erst wenige Stunden vor dem Abendmahl durch eine künstlich eingeleitete Frühgeburt zur Welt gekommen waren.
»Der Käse!«, überschrie Doña Rosa das allgemeine Geschmatze.
»Das Dessert!«, grunzte Don Cándido auf dem Gipfel von Lust und Wonne.
»Der Kaffee!«, riefen die Töchter der Gamboas.
»Die Schokolade!«, drängelte Don Pedro, der auch ein Liebhaber dieses Getränks war.
»Der Punsch!«, bat der Doktor.
»Der Zuckerrohrsaft!«, verlangte der Zuckerknecht.
»Der Salat!«, erinnerte der nordamerikanische Techniker.
»Man hat die Weihnachtsturronen vergessen«, bemerkte der Herr Pater, der Frömmigkeit mit einem guten Appetit zu verbinden wusste.
Blitzschnell füllte sich der Tisch mit einer komplizierten Skala verschiedenster Käsesorten, Süßspeisen, Getränke und Kräuter, mit berühmten Gerichten, Turronen sowie großen Porzellantassen mit kochender Schokolade. Bejucal-Bratkringel aus geriebener Maniokwurzel vermischten sich mit dem französischen Champagner, Morón-Biskuits mit spanischem Jijona-Mandelkuchen, Papayas wurden eingewickelt in westfälischen Schinken goutiert, Guaven in Sirup zusammen mit Spritzkuchen verschlungen, und der Stör vermengte sich mit Milchreis. Auf dem Tisch landeten Doppeldotter (eine von Florencio García Cisneros höchstpersönlich zubereitete Leckerei aus Eigelb, Rohrzucker und Zimt), Maistortillas und -pasteten, Kasavetorten, in heißem Honigseim schwimmende Schimpansenbrüste, kandierte Eier von Meeresschildkröten, Enten in süßer Soße, Honigwaben, Quitten, geschälte Zuckerrohrstückchen, Garnelen in Fruchtmus, Milchbrötchen mit Zuckerguss, provenzalischer Käse, getrocknete Feigen, Froschschenkel, Petersilienbüschel, Hirschhoden, Seepferdchenköpfe. In einem nicht enden wollenden Wirbel wurden Entrees und Aperitife, Desserts und Hauptgerichte aufgetischt und heruntergeschlungen und heizten den Heißhunger der Tischgesellschaft, statt ihn zu stillen, immer weiter an.
Um Mitternacht, als das Abendmahl zu Ende ging, waren die Leiber aller Anwesenden zu gigantischen kugelrunden Fettklößen geworden, die die Bediensteten in große Decken einwickelten und sanft in die Schlafzimmer schoben.
Dem Wirken dieser Haussklaven zum Trotz kamen einige der menschlichen Riesenkugeln vom Kurs ab, kullerten fort vom Haus, quer durch den Garten, wälzten dabei alles unter sich nieder, verstreuten sich schließlich in den ausgedehnten Ländereien, immer gefolgt von der treuen Dienerschaft, die sie vergeblich einzuholen suchte.
Diese ungewöhnlichen, im Licht des Vollmonds rasch über das vom Tau benetzte Land gleitenden glänzenden Kugeln boten einen
Weitere Kostenlose Bücher