Engelsberg
wahrhaft malerischen Anblick. Hinter ihnen her die winzigen dunklen Gestalten mit Stangen, Seilen und sogar Hutnadeln, um sie aufzuhalten.
Lange Zeit beobachteten die Plantagensklaven, die sich an kleinen Lagerfeuern vor ihren Strohhütten wärmten, wie die Menschenkugeln in atemberaubendem Tempo rollten, bis sie an die Sierra de los Organos prallten – das Gebirge der Orgeln, die, bezaubert gewiss vom ansehnlichen, unerwarteten Besuch, sogleich zu spielen anfingen.
In solche überdimensionalen Kullerfleischklopse verwandelt hatten sich der Priester, Doña Rosa und ihre Töchter Antonia und Adela, Don Pedro, der Haushofmeister, der Doktor sowie der Zuckerknecht, der dies vermutlich mit Vorsatz getan hatte, um seiner Angebeteten hinterherzurollen.
Der Aufprall auf dem Gebirge gab den voluminösen Reisenden eine neue Richtung, er lenkte sie um in das Tal von Viñales, wo sie mangels Gefälles für alle Zeiten liegen blieben und so die geologische Erhebung bildeten, die jetzt als Hügelland von Viñales bekannt ist. Anders erging es dem Zuckerknecht, den seine flammende Liebe zu Adela länger am Leben hielt. Nach einem besonders heftigen Ansturm auf den Hügel, der seine Angebetete jetzt war, rollte er zurück bis in den kubanischen Osten, wo er an der Küste von Matanzas vor Einsamkeit starb. Er ist der auffallende Berg, der heute weltberühmt ist als Zuckerhut von Matanzas.
Am nächsten Tag verließ Don Cándido die Plantage im komfortablen Tilbury, begleitet von Carmen und Leonardo, den beiden einzigen ihm verbliebenen Familienmitgliedern. Als er durch das Tal von Viñales kam, erkannte er die Gestalt seiner versteinerten Frau, und aus Furcht, sie könne ihm immer noch mit irgendwelchen Vorwürfen in den Ohren liegen, befahl er dem Kutscher, den Pferden die Sporen zu geben.
Fünfter Teil Die Rückkehr
Kapitel 29 Das Wunder
Da hatte Leonardo Gamboa sie also betrogen und war aufs Land gefahren, mit einem Dorfweib, dachte Cecilia Valdés, lief wütend durch das kleine Wohnzimmer und rannte dabei fast die sie beobachtende Doña Josefa um. Da hat mich dieser elende Kerl also trotz seiner Versprechen vergessen, und das, obwohl er geschworen hatte, mich zu heiraten! Und ich bin die Gelackmeierte! Und zwar gründlich! Mit einem Kind in den Eingeweiden, nicht mehr und nicht weniger, einem Kind, das ich nicht haben will. Weil ich von seinem Vater nichts mehr wissen will! Ich will absolut nichts mehr von ihm! Nie im Leben will ich ihn wieder! Ich werde ihn keines Blickes mehr würdigen! Und was diesen Jungen angeht, denn ich hoffe doch, es ist einer, und kein Mädchen, so werde ich alles unternehmen, damit er den Tag seiner Geburt nicht erlebt. Ein Mulattenkind ohne Vater zu haben heißt in diesem Land, noch einen Sklaven mehr in die Welt zu setzen. Nein, ich will dieses Verbrechen nicht auf mich nehmen!
Die letzten Worte schrie Cecilia aus vollem Halse, während sie sich den Bauch zusammenpresste, in dem das neue Leben pochte, und auf ihm herumtrommelte.
»Ach so ist das, du willst mich nicht, wie?«, ließ sich da das kleine Ungeborene aus Cecilias Bauch vernehmen. »Du wirst schon sehen, was du davon hast.«
Und in weniger als fünf Minuten wuchs es mit einer unbändigen Energieleistung heran, dehnte sich in der Fruchtblase aus, nahm die Gestalt eines Neunmonatskind an und stieß im Bauch seiner Mutter mit den Füßen um sich. Um sie noch mehr zu martern, änderte es sein Geschlecht, denn es war tatsächlich ein Junge gewesen, und mit einem Kopfsprung und ohrenbetäubendem Geschrei verließ das Mädchen Cecilias Körper, die ob dieses Phänomens bass erstaunt war.
»Mama!«, sagte das Mädchen gleich darauf, war es doch innerhalb von zwei Sekunden fünf Jahre alt geworden, bei denen es die Kleine erst einmal beließ.
Mit noch größerer Bangigkeit sah Cecilia dieses Mulattenmädchen an, das an ihrem Rockzipfel hing und ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war, wenn auch vielleicht etwas dunkler.
»Verfluchter Kerl!«, rief die Valdés aus, die unablässig an ihren verräterischen Geliebten dachte. »Sieh dir an, was du mir da eingebrockt hast. Das verzeih ich dir nie. Niemals werde ich dir diese Niederträchtigkeit verzeihen, selbst wenn du mich auf Knien bittest. Schuft! So wie alle Männer!«
In diesem Moment tauchte in der Tür zur Straße Leonardo Gamboas Gesicht auf. Er war gerade von der Finca La Tinaja zurückgekehrt und, um Don Cándido, der sein Verhältnis mit Cecilia rigoros ablehnte, eins
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