Engelsberg
Villaverde fort, den es mit Macht drängte, von sich und seinem Werk zu sprechen, »blieb das Manuskript des Romans natürlich in der Schublade …«
»Aber, mein Herr, was reden Sie da eigentlich!«, wagte Don Cándido ihm ins Gesicht zu schmettern.
»Immer feste drauf! Immer feste drauf!«, empfahl wahrhaft begeistert das Indiolein.
»… sodass«, spann Villaverde seinen Faden weiter, »nicht die Rede davon sein kann, dass ich vierzig Jahre lang an meinem Roman geschrieben hätte.«
»Es reicht!«, explodierte Doña Rosa.
Sie packte eines der Fässer und wollte es dem Lehrer an den Kopf werfen, doch als sie es anhob, fiel der Deckel herunter, und heraus quoll, was darin gewesen war: ein Geschlinge von Nattern. Damit nicht genug, nahm Doña Rosa ein weiteres Fass, das ebenfalls aufging und den Raum mit krakengroßen Vogelspinnen bevölkerte. Doch die unbeirrbare Señora konnte sich trotz der Lebensgefahr, in der sie sich befand, nicht enthalten, ein drittes Fass zu ergreifen und es aufs Lehrerpult zu schleudern, wo es zu Bruch ging und Hunderte von Mohrenkrabben mit angriffsbereiten Scheren heraussprangen. Eines dieser Tiere kniff mit seiner mächtigen Zange dem Lehrer in die (zweifellos ziemlich lange) Nase und zerbrach ihm die Brillengläser.
Blind um sich schlagend und ohne das Köfferchen loszulassen, das seine Unterrichtsvorbereitungen enthielt, durchstieß Villaverde die Palmenbastwand der Hütte (die zusammenkrachte) und entsprang mit einer für sein Alter und seinen Aufzug beachtlichen Geschwindigkeit in die Berge.
»Ferkelratte, Ferkelratte!«, schrien ihm die überglücklichen Schüler nach, voll Jubel über das Ende ihrer Leiden.
Rasch halfen sie den Damen und Herren, von diesem Ort fortzukommen, an dem es nur so wimmelte von giftigem Gezücht.
Als die Besucher auf dem Rückweg, ruhiger nun, mit dem Tilbury die gefährlichen Steilhänge passierten, hörten sie einen Schreckensschrei, ausgestoßen zweifellos von dem Lehrer, den der Krebs nicht freizulassen gedachte.
»Ich frage mich«, sagte da Doña Rosa, »ob dieser Schwachkopf endlich gestorben ist.«
»Ach!«, antwortete Don Cándido und ergriff galant seiner Gattin Schwabbelhand. »Das bleibt dem geneigten Leser überlassen …«
Kapitel 28 Das Weihnachtsabendmahl
Am 24. Dezember 1830 setzte sich die Familie Gamboa bei Einbruch der Dunkelheit mit all ihren Gästen zu Tisch.
Das Weihnachtsabendmahl konnte beginnen.
Es waren sechzehn Personen anwesend, darunter natürlich alle Gamboas, Isabel und ihr Vater, der Priester und der Arzt, der nordamerikanische Techniker, der Haushofmeister, der Bürgermeister von Mariel, der Zuckerknecht und weitere Honoratioren des Ortes.
Im Hintergrund jedes Speisenden hatten zwei Sklaven alle Hände voll damit zu tun, ihn zu versorgen, während der Aufseher mit lautloser Peitsche (die Herrschaften mochten keine störenden Nebengeräusche bei Tisch) dafür sorgte, dass die übrigen Bediensteten die unzähligen Gerichte genau zum richtigen Zeitpunkt herbeitrugen. Unter dem Tisch wuselten andere Gäste. Es waren die Hunde, Katzen, Hühner und Hausschweine; an diesem heiligen Tag erlaubte die Familie ihnen, sich an den Knochen und anderen Abfällen gütlich zu tun, die man ihnen als Beweis christlicher Nächstenliebe vorwarf.
Das Festtagsmahl begann mit einer riesengroßen Schüssel, die bis zum Rand voll war mit in Öl schwimmenden Aalen und mit Reis nach valencianischer Art, sowie einer weiteren Schüssel mit gefüllten Truthähnen und Rebhühnern, dazu eine Pfanne mit schwarzen Weihnachtsbohnen. Gleich anschließend wurden ein gebratenes Rind und ein Bastkorb mit achthundert gebratenen Süßkartoffeln gebracht. All das, nach den Worten Doña Rosas »ein leichtes Hors d’œuvre«, wurde von den gut gelaunten Tischgenossen im Nu weggeputzt. Sie unterbrachen das Essen nur für Augenblicke, wenn sie von ihren Beinen die Pfoten und Tatzen der Tiere abschüttelten, die mit Grunzen, Bellen, Miauen und Gackern um ihren Anteil bettelten.
Auf ein Händeklatschen Doña Rosas hin wurde der zweite Gang aufgetragen: sechzehn gegrillte Ferkel, sechzehn Tontiegel voll mit Krebsen in Hundesoße, sechzehn Töpfe mit Tomatenkabeljau, sechzehn Zickleinbraten, ein gewaltiges irdenes Gefäß mit Ajipfeffer-Eintopf, dazu Ferkelratten, eine Kubanische Schlankboa, Maisbrot, Maniok, Jamswurzeln, Malanga und Kochbananen.
»Wo bleiben die Kaldaunen!«, rief Doña Rosa erregt.
Augenblicklich stellten sechs kräftige Sklaven
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