Engelsberg
›ich hoffe, du amüsierst dich gut und genießt auch alles Schöne von Alquízar‹ nicht auf meine Schönheit, sondern die des Anwesens, das ich dort besitze. Sonst stünde nach ›genießt auch alles‹ ein Komma.«
»Und wer sagt, dass das Komma nicht einfach vergessen wurde?«, erwiderte Doña Rosa unerbittlich.
»In der Tat kann dies nur der Autor des Romans tun, dessen Figuren wir sind, Señor Cirilo Villaverde«, antwortete Isabel unparteiisch.
»Der Romanautor! Der Romanautor! Kommen Sie mir nicht damit, Señorita. Ich habe erlebt, wie Sie Sachen gemacht und gesagt haben, die der Autor des Romans, dessen Figur Sie sein wollen, niemals geduldet hätte! Hören Sie!«
»Rosa! Rosa! Mit welchem Recht beleidigst du Isabelita?«, meldete sich bekümmert Don Cándido wieder zu Wort.
»Mit dem Recht«, fauchte Doña Rosa, »einer Ehefrau, Dame und Mutter! Entweder du bringst mich hin zu diesem ›Villa Verde‹, damit er die Angelegenheit klärt, oder ich reiche noch morgen die Scheidung ein, mit Gütertrennung, dann bist du ruiniert! Hast du gehört, Don Cándido de Gamboa! Ich lasse es nicht zu, dass man sich über mich und meine Töchter lustig macht!«
Doña Rosa brach in lang anhaltendes Schluchzen aus.
Alle Fräuleins und jungen Kavaliere, so auch der Zuckerknecht und Leonardo Gamboa, umringten die untröstlich weinende Dame.
»Mein Gott! Mein Gott!«, rief Don Cándido aus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Wie soll ich diesen Cirilo Villaverde herbeischaffen, damit er den Irrtum aufklärt oder seine schlampige Schreibe? Dieses verkommene Subjekt ist doch aus dem Gefängnis ausgebrochen, wo er eine Haftstrafe als Verbrecher und Aufrührer absaß. In den Norden geflüchtet ist er und schmiedet dort die gemeinsten Pläne, um uns allen ein Ende zu machen.«
»Señor«, warf schüchtern der schmucke Zuckerknecht ein. »Ich kann Ihnen versichern, dass Don Cirilo Villaverde nicht im Norden ist, sondern hier, in Pinar del Río, und zwar gar nicht weit weg.«
»Was sagst du?«, fragte ungläubig Don Cándido. »Warum haben die Gendarmen ihn dann noch nicht festgenommen?«
»Weil er inkognito ist. Er hat tief im Wald eine Schule und bringt dort den Bauernkindern und sogar den entlaufenen Sklaven das Lesen bei.«
»Hab ich es nicht gesagt?«, rief Don Cándido noch einmal aus. »Ein Verbrecher, ein Krimineller.«
»Verbrecher hin oder her«, schnaubte Doña Rosa zwischen zwei Schluchzern, »morgen gehen wir zu ihm, damit er uns aufklärt, ob er das oder die ›Schöne von Alquízar‹ meint. Und jetzt ab ins Bett, damit wir morgen in aller Herrgottsfrühe aufstehen können und diesen gesegneten Herrn suchen gehen. Glaubt nicht«, und bei diesen Worten warf sie einen vernichtenden Blick auf Don Cándido wie auch auf Isabel, »dass ich mich so einfach hinters Licht führen lasse.«
Und gefolgt von ihren Töchtern und einem Schwarm Sklaven verschwand sie im Haus.
Kapitel 27 Cirilo Villaverde
Der Zuckerknecht hatte recht. Cirilo Villaverde bekämpfte inkognito in der Sierra de los Organos in Pinar del Río das Analphabetentum.
Die Gründe des Schulmeisters dafür waren sehr einfach: Nach der Veröffentlichung seines Romans Cecilia Valdés in New York und nachdem er auch auf Kuba mehrere Bücher veröffentlicht hatte, war er von seiner beunruhigten Frau unterrichtet worden, dass in mehr als vierzig Jahren nicht ein einziges Exemplar davon verkauft worden war. Das lag daran, tröstete er sich, dass niemand auf der Insel lesen konnte.
Auf Befehl seiner ehrgeizigen Frau war Villaverde, mit Fibeln und Heften gewappnet, unverzüglich nach Kuba aufgebrochen. Da er von der Kolonialregierung zum Tode verurteilt worden war, musste er sich illegal in besagtes Gebirge begeben. Und im dichten Wald hatte er aus Palmblättern und Palmenbast eine Schule errichtet.
Als Don Cándido mit seiner Frau und allen seinen Kindern, dazu noch Isabel Ilincheta und der als Führer dienende Zuckerknecht, bei Cirilo Villaverde ankam, fing dieser gerade mit dem Unterricht an.
Zahlreich waren die Kinder, die den Weg zur abgelegenen Hütte fanden (auch wenn, um ehrlich zu sein, die Eltern mit einem leichten Schlag auf den Hinterkopf etwas nachgeholfen hatten). Allerdings wollte keines der Kinder, unter denen es sogar einen Indio gab (eine auf Kuba bereits ausgelöschte Rasse), wirklich das Abc lernen. Sie wussten, dem Lehrer lag nur daran, dass sie seine Bücher läsen, und ein solches Schrecknis vor Augen, wollten sie
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