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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kibler
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Darmstadt. Ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten.«
    Aus dem Flur kam ein kleiner Junge, der sich am Bein seiner Mutter festhielt. »Mama – wer ist das?«
    Margot stand jetzt auf dem Absatz direkt vor der Wohnungstür. Sie fischte nach ihrem Ausweis und hielt ihn der Frau hin. Die warf nur einen kurzen Blick darauf. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Es geht um Ihre Schwester.«
    Wieder nahm Margot einen seltsamen Gesichtsausdruck wahr. Eine Mischung aus Lächeln und Ablehnung. »Welche Schwester? Ich habe meinen beiden Schwestern seit vier Jahren nicht gesehen.«
    »Es geht um Nadeschda.«
    »Ist sie in Schwierigkeiten?«
    Das war eine interessante Annahme. Frau Gölzenlamper fragte nicht zuerst, ob ihr etwas passiert sei. »Das wissen wir nicht genau. Darf ich reinkommen?«
    »Ja.«
    »Mama, wer ist das?«, brachte sich der Junge wieder zu Gehör.
    Margot ging in die Knie. Der Junge war etwa fünf Jahre alt, schätzte Margot. Er hatte rotes Haar, helle Haut und das ganze Gesicht voller Sommersprossen. »Ich bin Margot. Und wie heißt du?«
    Der Junge sah zu seiner Mutter hoch. »Mama, ist das eine Fremde, oder darf ich ihr sagen, wie ich heiße?«
    Irina Gölzenlamper musste schmunzeln. »Sag ihr ruhig, wie du heißt.«
    »Ich bin Igor. Soll ich dir mein Feuerwehrauto zeigen? Das hat mir die Mama heute geschenkt! Ein ganz großes!«
    »Igor, geh in dein Zimmer, und spiel ein bisschen mit dem Feuerwehrauto. Ich muss mit Frau Hesgart etwas besprechen.«
    Der Junge schien davon nicht begeistert, aber das neue Feuerwehrauto versöhnte ihn mit der Situation. »Ist gut«, sagte er und flitzte durch den kurzen Flur ins hintere Zimmer.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Tee? Ein Wasser?«
    »Ein Wasser bitte.«
    Irina Gölzenlamper holte eine Flasche Mineralwasser aus der Küche, dann führte sie Margot ins Wohnzimmer.
    Das Zimmer war nicht groß, aber geschmackvoll eingerichtet. Die Dachschräge gab die Platzierung der Möbel vor. Das Sofa stand unter dem Dachfenster, an der Innenwand ein Wohnzimmerschrank, aus dem Irina Gölzenlamper zwei Gläser und zwei Untersetzer nahm, die sie auf dem Rauchglastisch abstellte. Ein Sessel, ein Esstisch mit vier Stühlen und ein Büfettschrank mit Fernseher darauf rundeten die Möbelgalerie ab.
    »Was möchten Sie wissen?«
    »Frau Gölzenlamper, es scheint, dass Ihre Schwester in einen Mord verwickelt ist. Wir müssten dringend mit ihr sprechen.«
    »Sie wohnt in Odessa – aber das wissen Sie sicher bereits.«
    »Ja. Dort haben unsere ukrainischen Kollegen sie nicht angetroffen. Wir würden uns gern ein Bild über Ihre Schwester machen. Sie war vor Kurzem in Deutschland. Wissen Sie, was sie hier wollte.«
    »Nein. Ich habe sie, wie gesagt, seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen. Wir sind nicht im Guten auseinandergegangen. Ich habe vor sieben Jahren beschlossen, nach Deutschland zu gehen. Damals habe ich mich an eine Agentur gewendet. Ich bin eine von den Klischeefrauen: Russin sucht deutschen Mann. Und ich habe Glück gehabt: Karl ist ein guter Mann. Wir lieben uns, und wir haben einen Sohn.« Sie lächelte und legte die Hand auf den Unterbauch. »Und bald noch ein Kind.«
    »Was hat Sie bewogen, nach Deutschland zu gehen?«
    »Geld.« Sie lachte. »Das denken Sie, nicht wahr?«
    »Nein. Ich frage Sie.«
    »Geld. Natürlich. Ich habe studiert. Deutsch und Englisch. Aber ich habe keine anständige Stelle bekommen. Es gab schon vor der orangefarbenen Revolution 2004 Demonstrationen in unserem Land. Gegen die Korruption. Waren nur nicht ganz so ungefährlich damals. Mich haben sie dreimal festgenommen. Dann wusste ich, dass ich keinen anständigen Job mehr bekommen würde. Ich habe als Friseurin gearbeitet. Mache ich heute noch. Ich bin gut. Ich hatte Hoffnung in den neuen Präsidenten. Doch als der sich lieber mit seiner Ministerpräsidentin – Julia Timoschenko – stritt, anstatt das Land zu reformieren, da dachte ich, es ist Zeit zu gehen. Meine Eltern und meine Geschwister sahen das als Verrat. Ich sah es als Chance.«
    »Wie lange sind Sie schon in Deutschland?«
    »Seit Ende 2005. Weihnachten 2005 habe ich hier gefeiert. In dieser Wohnung. Mit Freunden. Freunden von Karl. Jetzt sind es auch meine Freunde. Karl hat eine gute Arbeit. Er ist bei den Heidelberger Druckmaschinen in Waldorf. Hat an diesem Wochenende Schicht.«
    »Und Sie haben keinen Kontakt mehr zu Ihrer Familie?«
    Irina lachte auf, aber bei diesem Lachen hätte es vier Löffel Zucker

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