Engelsblut
So sei er nicht nur ihr Freund und Lover, sondern auch ihr Mäzen.
Vulkanblut war der Arbeitstitel.
Margot musste schmunzeln. Sie öffnete das Dokument. Las die erste Zeile: Sie hätte ihn am liebsten erschlagen. Ganz in ihrem Sinne. Margot entschied, das Manuskript auszudrucken. Dann würde sie es unter den Arm klemmen, sich ins Auto setzen, an irgendein Flussufer fahren und dort in aller Ruhe im Sonnenschein lesen. Könnte doch noch ein netter Samstag werden.
Sie klickte auf Drucken . Doch anstatt das Zucken des Druckererwachens zu spüren, öffnete sich ein Fenster auf dem Bildschirm: Rote Farbe ist aufgebraucht. Bitte wechseln Sie die Kartusche.
Das darf jetzt nicht wahr sein!, dachte Margot.
Sie klickte sich durch einige Menüs. Sie wollte doch einfach nur den Text ausdrucken. In Schwarz. Das versuchte sie dem Drucker auf freundliche Art beizubringen. Der daraufhin über ein neues Fenster antwortete: Rote Farbe ist aufgebraucht. Bitte wechseln Sie die Kartusche.
»Du verdammte Scheißkiste, ich will nur schwarz drucken!«, schrie sie und ließ ihre Faust auf das Plastik niedersausen. Ersteres beeindruckte den Drucker nicht. Letzteres zum Glück auch nicht.
Margot durchsuchte die Schreibtischschubladen. Fand die gewünschte Kartusche. Öffnete sie, setzte sie ein. Der Drucker verkündete Selbstreinigung notwendig . Offensichtlich ein Verwandter des Kaffeeautomaten. Das erklärte einiges.
Eine gefühlte Stunde später verkündete ein neues Fenster: Selbstreinigung beendet. Bereit.
»Na also, du Arschloch, geht doch.« Hatte sie jetzt tatsächlich mit einem Drucker gesprochen? Auch dieses Highlight koreanischen Ingenieurssadismus hatte Rainer gekauft. Mit dem gleichen Blick, mit dem er auch den Kaffeeautomaten angeschleppt hatte. Für gewöhnlich kümmerten sich die Besitzer dieses Hightechirrsinns dann auch um ihre Schäfchen, wie groß die Herde auch immer war. Nur bei ihr war es anders: die größte Herde weit und breit. Und der Schäfer ade.
Sie klickte wieder auf Drucken .
Statt Druckgeräuschen wieder nur ein Fenster: Schwarze Farbe ist aufgebraucht. Bitte wechseln Sie die Kartusche.
Es war genau ein Fenster zu viel.
Mit einem lauten Schrei packte Margot den Drucker und schleuderte ihn auf den Boden. Er zersprang. Die Plastikteile flogen in einem Radius von mehreren Metern durchs Zimmer und durch den Türrahmen bis ins Wohnzimmer. Da der Drucker mit dem Kabel am Computer angeschlossen war, flog auch der Computer vom Tisch. Und nahm bei der Gelegenheit den Monitor gleich mit …
»Scheiße!«, kreischte Margot. Und konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht noch auf den Überresten des Druckers herumzutrampeln.
»Scheiße, du Wichser, dann bleib doch in deinem Amiland!«, brüllte Margot. »Werd glücklich mit deinen verfickten Plänen, deinen tollen Maschinen und deinen Bumsfreundinnen und dem ganzen Mist. Bleib doch einfach ganz weg, du Arsch!«
Dann sank sie auf die Knie. Die Tränen standen schon bereit und wollten gerade durch die Schotten der Augen dringen, als Margot sich am Riemen riss. »Nein. Ich werde jetzt nicht heulen wegen dir. Und ich werde auch nicht ausflippen«, sagte sie leise. Dann stand sie auf.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Kein Nick jetzt. Kein Rainer. Kein Ole. Am besten überhaupt kein Mann.
Margot sah aus dem Fenster.
Horndeich stand vor dem Gartentor.
Na gut, wenn schon Mann, dann war Horndeich derzeit der beste Kandidat. Sie drückte den Türöffner.
Horndeich trat ins Haus. »Was ist denn mit dir los?«, fragte er.
»Alles okay. Komm einfach rein.«
Noch bevor Margot sagen konnte: »In die Küche bitte«, war Horndeich schon automatisch ins Wohnzimmer gegangen.
Er blickte auf den zertrümmerten Drucker, die Plastikteile, die überall herumlagen. Er sah Margot nur an.
»Sag nichts, frag nichts, setz dich einfach. Magst du einen …« – sie hielt kurz inne – »Tee oder Wasser?«
»Nein danke, nichts.« Horndeich setzte sich aufs Sofa. Margot auf den Sessel. »Was führt dich zu mir?«
»Wie lautet deine Hypothese? Wer hat Susanne Warka auf dem Gewissen? Wer hat die Aaners umgebracht? Und in beiden Fällen – warum, um alles in der Welt?«
»Und das willst du mit mir an diesem Wochenende besprechen? Habt ihr beiden, du und deine Frau, nichts Besseres zu tun?«
Horndeich sah zu dem zerborstenen Drucker. »Du wirktest vorhin ziemlich ›nebbe de’ Kapp‹, sozusagen.«
»Mach dir mal keine Sorgen um mich. Ist alles okay.«
Horndeich
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