Engelsblut
hatte, aber …«
»Das ist es!«
»Was?«
»Ich glaube, ich habe endlich was Konkretes gegen Schaller in der Hand!«
»Was denn?«
»Ich prüf das. Dann melde ich mich wieder. Viel Spaß am Neckar.«
»Danke, dir auch! In der Ukraine, meine ich.«
Sie wollte Horndeich noch zu Tür bringen, aber der war einfach schneller.
Margot dachte kurz nach. Sie würde jetzt gleich durch den Odenwald fahren. Der Sonnenschein und die fast noch sommerlichen Temperaturen luden ja regelrecht dazu ein.
Sie sah kurz auf ihr Handy. Nick hatte nicht einmal mehr geantwortet. Dafür waren von Ole Greven inzwischen vier SMS eingetroffen. Von Rainer nichts …
Margot setzte sich in den Wagen, ließ die Seitenscheiben runter und fuhr durch die kleinen Sträßchen des hessischen Mittelgebirges in Richtung Süden. Als sie das Schild in Richtung Wald-Michelbach sah, musste sie schmunzeln und bog ab.
Sie parkte den Wagen im Ortsinneren und schlenderte zum Eiscafé Cortina. Sie waren früher immer mit der Clique auf ihren Mokicks – begrenzt auf knappe fünfzig Stundenkilometer – dorthin gefahren. Und alle hatten sie den Tropicana-Becher gegessen. Ananas, Banane, Kiwi und leckerstes Eis. Der Hit war aber die Deko gewesen: eine Palme aus Pfeifenputzerdraht an einem Hartplastikröhrchen als Baumstamm. Ein ebenfalls aus Pfeifenputzerdraht geformtes Äffchen, mit Beinen und Armen den Baumstamm umschließend, an einem Gummi befestigt. Zog man den Affen nach unten und ließ dann los, schnellte er nach oben und blieb im Ansatz der Palmenwedel hängen. Margot hatte seinerzeit drei Stück davon ergattert.
Sie setzte sich und begrüßte die Bedienung. Die war jünger als sie, konnte sie daher nicht erkennen. Mit Entzücken sah sie, dass es den Becher immer noch gab, und bestellte sich einen. Er schmeckte nach wie vor lecker. Nur die Affen gab es leider nicht mehr.
Eine halbe Stunde später erreichte sie Neckarsteinach und stellte den Wagen auf einem der zentralen Parkplätze ab. Zu Fuß ging sie in die Bliggergasse und fand das Haus, in dem die Gölzenlampers eine Wohnung hatten. Malerisch, denn die Gasse war der historische Ortskern. Sie klingelte, aber niemand war zu Hause. Margots Armbanduhr zeigte 16 Uhr.
Sie beschloss, noch ein wenig spazieren zu gehen, und bummelte in Richtung Neckar. Dort führte ein Weg südwärts. Sie genoss die Sonne, die immer noch ein wenig wärmte. Nachdem sie sich auf einer Bank niedergelassen hatte, sah sie auf ihr Handy. Zwei SMS von Ole Greven. Sie las nur die letzte: »Wirklich nicht? Schade.« Dann löschte sie alle anderen SMS von ihm, ohne sie zu lesen. Der Kerl war sympathisch. Nicht mehr. Nicht weniger. Aber eben definitiv nicht mehr. Und da war ja noch was: Margot war verheiratet. Auch wenn es sich derzeit nicht so anfühlte.
Sie las gerade die SMS von Nick: »Bringst du mich morgen wenigstens zum Flughafen?«, als eine weitere SMS sie erreichte. Von Rainer. »Mein Schatz, komme erst am kommenden Wochenende. Sorry, Kuss Rainer.«
Als sie Nicks SMS gelesen hatte, war ihr erster Gedanke gewesen: Nein, gewiss nicht.
Nach Rainers SMS sah die Welt jedoch anders aus. Margot fühlte einerseits Wut in sich aufsteigen. Das kannte sie schon. Das kannte sie gut. Es war ja nicht das erste Mal, dass für Rainer die Arbeit vor allem anderen kam. Und sie merkte, dass diese Absage genau die eine zu viel war. Sie tippte: »Ich will dich sehen. Spätestens Montagmorgen, Flughafen Frankfurt. Probleme mit Doro. Wenn du meinst, dass du nicht kommen musst, hat das Konsequenzen.«
Sie drückte auf Senden . Und während das Sende-Bestätigungs-Dingdong des Handys erklang, empfand Margot nur eines: völlige Gleichgültigkeit.
»Wann soll ich dich abholen?«, schrieb sie Nick. Dann machte sie sich erneut auf den Weg in die Bliggergasse.
Die Haustür öffnete sich, wenige Sekunden nachdem Margot den Klingelknopf gedrückt hatte. Eine Gegensprechanlage gab es nicht.
Die Klingel außen an der Haustür war die oberste, also ging Margot davon aus, dass sie bis unter das Dach des ehrwürdig schiefen Fachwerkhauses hinaufsteigen musste.
In der Tür stand eine blondhaarige Frau, die Margot auf Mitte dreißig schätzte. Sie sah Nadeschda Pirownika ähnlich.
»Guten Tag – sind Sie Frau Irina Gölzenlamper?«
»Ja?« In der Stimme der Frau lag eine Mischung aus Überraschung und Misstrauen. »Wollen Sie uns jetzt schon am Samstag etwas verkaufen?«
»Nein. Mein Name ist Margot Hesgart. Ich bin von der Kriminalpolizei in
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