Engelsblut
Das Irre ist, dass ja nur ich mich strafbar gemacht habe. Weder Paul noch seine Frau noch Susanne. Gerecht ist was anderes.«
»Susanne sagte zu?« Auch an Schallers Lamento war Horndeich kein bisschen interessiert.
»Ja. Sie sagte zu. Sie sollte 50 000 Euro bekommen. 5000 hat sie erhalten, nachdem der Embryo eingespült worden war. 5000, als der Schwangerschaftstest positiv ausfiel. Danach habe ich ihr den Schlüsselanhänger geschenkt. Und, Frau Hesgart, Sie hatten recht, es war ein persönliches Geschenk. Ein sehr persönliches. Es war ein Schutzengel für unseren Engel. Sie war der Engel für die Aaners, die endlich ein eigenes Kind haben würden. Für mich, der ich endlich alle Schulden los wäre, und für ihre Tochter war sie sicher auch ein Engel, denn durch die Leihmutterschaft würden sie von diesem Idioten Zumbill loskommen.«
Schaller holte kurz Luft. Dann fuhr er fort. »Sie sollte nach der nächsten fälligen Untersuchung wieder 2000 Euro bekommen. Freitag vor ihrem Tod habe ich sie untersucht. Und alles war in Ordnung.«
»Wie geht das? Ich meine, wie kann man so was machen, ohne dass das Gesetz davon erfährt?«
»Ich entnehme ja immer wieder Eizellen bei Frauen, die wissen wollen, warum sie keine Kinder bekommen können. Bei der Eizellenentnahme brauche ich Partner. Ich arbeite da mit zwei meiner Arzthelferinnen zusammen. Klar, in den großen Kinderwunschzentren, da haben sie auch eine Anästhesistin, aber das hat Für und Wider.«
Horndeich konnte sich das »Wider« nicht erklären, aber auch auf diesen medizinischen Exkurs wollte er gern verzichten.
»Nun, meine Arzthelferinnen, die wissen ja nicht, dass ich die später befruchteten Eier jemand anderem einpflanze. Auch mein Laborant, der sieht den Embryos nicht an, zu wem sie gehören. Die befruchteten Embryos haben fünf Tage Zeit, im Brutschrank zu wachsen. Dann habe ich zwei der Embryonen in Susanne Warkas Gebärmutter geleitet. Dazu brauchte ich auch keine Hilfe. Nicht schmerzhaft. Mein Gott, das war alles machbar. Bis zu dem Moment, als Paul auf keine Mail mehr reagiert hat. Wir haben uns alle extra für diese Aktion E-Mail-Adressen bei exotischen Providern besorgt. Und ausgemacht, dass wir nicht telefonieren. Einfach, um ganz sicher zu sein. Wir haben uns nur ein einziges Mal zu viert getroffen, abends in meiner Praxis. Auch meine Frau weiß bis heute nichts von der Sache.
Mittwoch vor einer Woche sollte im Postfach wieder Geld sein. Ich hatte extra ein Fach in der Hauptpost angemietet. Auf die Idee hatte uns Susanne gebracht. Paul schickte das Geld immer in drei bis vier Briefumschlägen. Es schien das Sicherste. War aber nix da. Auch am Donnerstag nicht. Ich schrieb ihm eine Mail. Am Freitag wieder. Aber ich erhielt nicht einmal eine Lesebestätigung. Am Freitag habe ich Susanne untersucht. Hab noch eine Mail geschrieben. War versucht, Paul auf dem Handy anzurufen. Aber ich ließ es.
Dann bin ich Samstag früh zu Paul gefahren. Ich klingelte. Keiner öffnete. Hatte ich auch nicht wirklich mit gerechnet. Denn ich dachte ja, die sind noch im Urlaub. Aber ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl. Ich ging um das Haus herum. Sah durch das Fenster. Nun – Sie haben den Anblick ja auch genossen. Die beiden waren tot, und das schon eine ganze Weile.«
Schaller schwieg, blickte auf die Tischplatte. Dann sah er auf, Horndeich direkt ins Gesicht.
»Ich habe die Scheibe eingeschlagen. Mit einem Stein. Ich war darauf gefasst, dass die Alarmanlage losgehen würde. Aber nichts passierte. Ich griff durch das Loch im Glas, öffnete die Tür. Der Gestank war bestialisch. Fliegen summten herum. Ekelhaft. Ich schaute auf die Leichen. Da Regine als Lehrerin arbeitete, war klar, dass sie nach ihrem letzten Unterrichtstag vor den Herbstferien umgebracht worden waren. Also am Freitag. Und da die Alarmanlage schwieg, war es vor ihrer geplanten Abreise geschehen. Sonntag also.
Ich ging ins Arbeitszimmer. Griff mir Pauls Notebook. Auf dem Rückweg schaute ich noch in den offen stehenden Tresor. Doch da war nichts drin. Der war leer. Ich wusste, dass Paul sicher 50 000 Euro in bar dort gebunkert hatte. Wer immer sie ausgeraubt hatte – er hatte fette Beute gemacht.«
Schaller sprach nun leiser: »Ich hätte das Geld mitgenommen. Die Aaners waren tot, Susanne trug ein Baby aus, das nicht ihres war und das sie auch nicht wollte. Ich hätte den Inhalt des Tresors mitgenommen. Aber ich habe es nicht getan. Nicht, weil ich so edel bin. Sondern weil er schlicht
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