Engelsblut
ersten.«
»Ich habe auch eine Tochter. Die mag Ice Age auch gern.«
»Wie heißt die?«
»Sylvia.« Camilla goss die Milch in einen Becher, gab den Kakao dazu, rührte um und reichte die Tasse Sophie. Dann setzte sie sich mit an den Tisch.
»Sag mal, Sophie, erinnerst du dich noch an den Tag, an dem deine Mama verschwunden ist?«
»Hmmm.«
»Kannst du uns noch mal von dem Tag erzählen?«
»Warum?«
»Damit wir den Menschen fangen können, der deine Mama in den Himmel geschickt hat.«
»Hmmm.« Sie machte eine Pause. »Ich hab Ice Age geschaut. Den ersten Teil. Und als Sid zu den Rhinos gesagt hat: ›Genau ihr Flaschen – ein Schritt weiter, und ihr seid Geschichte‹, da haben Reinhard und die Mama geschrien. Die waren in der Küche.«
Camilla lächelte: »Dann schmeißt Sid den Stein und sagt zu Manni: ›Du hast geblufft, nicht wahr?‹«
»›Ja, und zwar ganz gewaltig‹, das sagt Manni dann.«
Margot schaute zwischen den beiden hin und her. Sie kannte den Film auch, wusste sogar, dass es ein Faultier namens Sid gab und ein Mammut namens Manfred, aber dass eine erwachsene Frau den Film mitsprechen konnte, das fand sie äußerst beeindruckend.
»Was ist dann passiert?«
»Reinhard hat gebrüllt. Die Mama auch. Aber nicht so laut. Und dann hat Manni gebrüllt: ›Ich will hier mal was klarstellen, okay?! Es gibt kein Wir. Es hat nie ein Wir gegeben. Und genau genommen gäbe es ohne mich nicht mal ein Du.‹ Und dann waren sie leise.«
»Und dann bringt Sid das Baby, das sie gefunden haben, allein zurück, gell?«, sagte Camilla.
Sophie lächelte und imitierte wieder die Stimme von Sid: ›Wir brauchen dieses miese fiese Mammut nicht.‹«
Margot sah, wie Camilla notierte: »Streit 0 bis +10 Minuten.«
»Dann kam Reinhard rein. Genau als Manni das Baby schlafen gelegt hat. Manni hat gesagt: ›Zeit fürs Bettchen, kleiner Pupser.‹ Und der Reinhard, der hat gepupt.« Sophie lachte, und auch Camilla musste lachen. Camilla schrieb auf: »20. Minute: Reinhard kommt ins Wohnzimmer.«
»Dann hat Reinhard mit mir zusammen geguckt. Das hat er sonst nie gemacht. Er hat neben mir gesessen, bis Oma da war. Die kam, als Sid auf dem Ski Slalom gefahren ist: ›Slalom – Slalom, Baby!!‹«
Camilla schrieb: »50. Minute: Veronika Zumbill kommt an.«
»Und dann?«
»Dann hat die Oma gesagt, dass wir uns einen gemütlichen Abend machen und dass wir noch mal Ice Age schauen können. Sogar noch den zweiten und den dritten Teil. Dann hat sie mir noch einen Kakao gemacht. Ich wollte mit in die Küche, aber Oma hat gesagt, sie ist mein Diener, und ich bin die Prinzessin. Und dann hat sie noch mal Ice Age angemacht. Und als das Rüsselschwein zu seinen Kindern sagt: ›Weiter, weiter, Kinder, Aussterben könnt ihr später spielen‹, da hat sie mir den Kakao gebracht. Ich habe mich an sie gekuschelt. Und wir haben noch mal Ice Age geguckt.«
Sophie schwieg und trank ihren Kakao.
»Und dann hast du alle drei Teile gesehen?«
»Hm-mmm. Glaub schon.«
»Du glaubst schon?«
»Ich war dann ganz müde. Aber die Oma, die hat gesagt, ich hätt ganz doll gelacht.«
»Wann hat sie das gesagt?«
»Beim Frühstück.«
»Und, hast du gelacht?«
Sophie sagte nichts mehr. »Darf man lügen?«
Camilla sagte nichts. »Nein. Man darf nicht lügen. Aber es gibt ganz, ganz manchmal eine Ausnahme.«
»Dann hat die Oma eine Ausnahme gehabt? Als sie gelügt hat?«
Die Tür zur Küche wurde geöffnet. Veronika Zumbill trat ein. »Hören Sie auf. Hören Sie, in Gottes Namen, bitte auf.«
»Was ist, Oma?«
Veronika Zumbill schien es nicht zu merken, aber sie knetete mit den Fingern das kleine goldene Kreuz, das sie um den Hals hängen hatte.
»Sophie, geh zum Opa.«
Sophie rutschte von ihrem Stuhl. Schaute Camilla mit großen Augen an. Dann verließ sie die Küche.
Veronika Zumbill setzte sich auf den Stuhl, auf dem Sophie gesessen hatte.
»Ich war es. Ich habe die Schlampe umgebracht«, sagte sie tonlos.
Margot sah Horndeich an.
»Mein Sohn rief mich an. Sagte, dass Susanne ihn betrüge. Ob ich vorbeikommen könne.«
»War Susanne Warka da noch da?«, fragte Margot.
»Ja. Sie war wohl im Bad, hatte gesagt, sie wolle zu einer Freundin gehen. Und dann wäre wieder niemand für das Kind da gewesen. Als ich kam, wollte sie gerade gehen.«
Veronika Zumbill stand auf, ging an den Küchenschrank und öffnete die obere Tür. Sie entnahm dem Schrank ein Glas und eine Flasche Cognac. Sie schenkte sich ein. »Auch
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