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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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Umgebung. Selbst in der Stadt Salzburg war davon zu lesen. An sämtliche Distriktskommissariate war die Forderung gerichtet, Doktor Simon Grothusen festzusetzen.
    »Bislang konnte der Gesuchte dem Wortlaute des Gesetzes nach nicht als schwerer Gesetzesbrecher verurtheilt werden. Letztens trat er nun aber offenbar als Aufwiegler auf, ging zu den einzelnen Unterthanen, um sie heimlich zum Ungehorsam und zur Widerspenstigkeit zu verführen, und flößte ihnen die größte Geringschätzung gegen die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten ein. Ohne Unterlass behelligt er mit den von ihm geschmiedeten Gesuchen sogar ehrenwerte Frauen. Obgleich der wissenschaftlichen Bildung nicht gänzlich ledig, sind seine Reden erbärmliches Gewäsch, dem Einhalt geboten werden muss. Es ist notwendig, jenen Aufwiegler ernstlich zu verfolgen, durch fortgesetzte Detention unschädlich zu machen und durch empfindliche Strafe wenigstens für die Zukunft zu verschrecken. Er gibt vor, für den berühmten Maler Samuel Alt zu werben – doch offensichtlich nutzt er nur dessen großen Namen und guten Ruf, um sich selbst aufs Schändlichste hervorzutun, ja, es hat den Anschein, er halte den ehrbaren Künstler im Palais Hagenstein gefangen, ausbeuterisch und rücksichtslos. Auch aus großem Respekt für Samuel Alt ist diesem Verhalten sofortiger Einhalt zu gebieten.
    Die nachfolgende Personsbeschreibung ist sämtlichen Distriktskommissariaten zugänglich zu machen, auf dass nach dem Beschriebenen sorgfältigst nachzuforschen und der Gesuchte im Falle der Ergreifung unter sicherer Bedeckung dem Kreisamte abzuliefern sei. Die Abschrift dieses Dekrets geht an den Herrn Regierungsrathe, welcher dazu aufgefordert wird, zur Erreichung desselbigen bei Seiner Majestät, Franz Joseph I., Kaiser von Gottes Gnaden, zu sorgen.«
    In den Tagen nach der Bekanntmachung zeigte sich Samuel im Saal. Er wurde von denen, die nicht regelmäßig bei ihm malten, kaum erkannt. Wiewohl er sich stets das Gesicht rasierte, waren seine Haare über all die Jahre so lang gewachsen, dass sie seinen Rücken bedeckten. Auf seinem abgetragenen, modrig riechenden Hemd hatten sich Schweißflecke gebildet und waren eingetrocknet, denn er wechselte die Kleidung kaum und wusch sich zwischendurch nur mit eisig kaltem Wasser, nie mit Seife.
    Grothusen hatte ihn in den Saal befohlen, und Grothusen war es auch, der heftig auf ihn zuschritt.
    »Wir müssen gemeinsam entscheiden«, wetterte er, und sein Gesicht flackerte nervös. »Wir müssen gemeinsam entscheiden, wie wir auf das Androhen dieser Verfolgung zu reagieren haben. Wo kämen wir hin, wenn sich die Staatsgewalt in die Belange der Kunst einmische, wenn ein Bürgermeister uns erklärt, was wir zu machen haben oder nicht!«
    Beunruhigt lief er auf und ab. Er rauchte ohne Pause, während ihn die meisten schweigend begafften.
    Nur einer wagte einzuwerfen: »Es sind nicht Samuel oder wir, die gesucht werden und die man des Ungesetzlichen zeiht, sondern lediglich du, Simon Grothusen!«
    Wütend stampfte Grothusen auf.
    »Eben!«, zischte er. »Eben! Wer war es denn, der Samuel Alt groß gemacht hat und der den Handel der Bilder über ganz Europa dehnte? Wer war es, dem ihr hier alles zu verdanken habt? Ohne mich seid ihr nichts!«
    Seine Gestalt bebte. Hände und Lippen zitterten. Angewidert wandte sich Samuel von ihm ab, indessen Doktor Mohr ärgerlich den Mund verzog. Seit der Kundmachung gab es keinen Alltag mehr und für ihn keine Arbeit.
    »Wir müssen uns gegen die Widersacher behaupten!«, geiferte Grothusen. »Wir müssen uns ihnen mit all unseren Mitteln entgegenstellen. In den meisten großen Städten finden sich einflussreiche Gönner. Sie mögen an unsrer statt gegen die miesen Provinzler vorgehen, auf dass wir in Ruhe unserem Tagwerk nachgehen können.«
    Es regte sich weder Zustimmung noch Protest.
    »Was steht ihr maulfaul da, ihr Idioten!«, rief Grothusen und lief noch hastiger um sie herum. »Habt ihr mich nicht verstanden? Ihr könnt nicht tun, als sei es meine Sache! Ohne mich bricht hier alles zusammen! Lasst sie mich verhaften, und ihr steht ohne Ordnung da! Sie mögen Samuels Namen nicht in den Schmutz zerren wie meinen – aber sein Bild ist nichts ohne mein Wort!«
    Sein Blick versuchte sich festzukrallen, aber keiner wollte ihm in die Augen blicken. Nur Lena wich ihm nicht aus, sondern trotzte ihm. Sie erschien ihm größer als in den letzten Monaten.
    »Du irrst dich, Herr Doktor«, erklärte sie kühl und

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