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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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sich hinter seinem Rücken kaputt... Und siehe da, plötzlich bin ich, Sebastian Bechtlhuber, keine lästige Wanze mehr, die die werten Herausgeber gern zwischen ihren Fingern zermalmen würden. Nein, plötzlich sagen sie zu mir: ›Warum recherchiert Ihr nicht darüber?‹ Wertes Fräulein! So frage ich Euch, ist diese Welt nicht verrückt? Und bleibt mir denn etwas anderes übrig, als ihren Götzen zu dienen? Bleibt mir anderes übrig, als diesen einen Artikel über Bringsheims Frau zu schreiben, um meinen Namen den Verlegern genehm zu machen? Dafür werde ich bezahlt – nicht für überkommene Prinzipien und Moral! Ha!«
    Seine Lippen spuckten Speichel. Endlich rückte er von Lenas Gesicht ab und lehnte sich zurück, um sich auf dem Stuhl auszubreiten.
    »Ihr wollt Samuel doch nicht schaden...«, setzte Lena an und neigte sich nun ihrerseits entschlossen vor, um zu raunen: »Ihr werdet doch nur dafür sorgen, dass Susanna Bringsheim von hier fortgeht?«
    Wie sie verlegte sich auch der Publizist aufs Flüstern. »So ist sie also tatsächlich hier?«, fragte er anbiedernd erneut.
    Lena richtete sich gerade auf.
    »Ja, sie ist hier«, murmelte sie, dachte nach und dehnte sodann ihre Sätze über viele Minuten. »Sie trägt ein Kind. Sie leistet Samuel Alt über viele Stunden des Tages und der Nacht Gesellschaft.«
    Sie seufzte und stockte.
    »Aber es ist nicht so, dass Samuel die Schuld daran trägt«, fuhr sie flüsternd fort, »er wollte sie nicht bei sich haben, und noch weniger wollte er, dass das Schreckliche geschieht, was sich hier zuträgt. Man nimmt Blut zum Malen – von Menschen, die halbtot sind, und von kleinen Kindern. Dies alles hat nicht Samuel Alt so gewollt, sondern ein anderer, den nichts treibt, als den großen Namen in Verruf zu bringen.«
    Die Spitze des Stiftes kratzte, als Bechtlhuber in sein Notizbüchlein schrieb.
    »Wer«, fragte er hitzig und aufgeregt, als Lena nicht weiterreden wollte. »Wer ist es?«
    Nach einer langen Pause fiel ihr Bekenntnis kühl und fest aus.
    »Es gibt nur einen Übeltäter«, sagte sie dem Journalisten. »Wäre er fort, so wäre alles gut. Sein Name ist Grothusen. Doktor Simon Grothusen.«
    Spät in der Nacht, so wie dereinst sein Eheweib im Palais Hagenstein ankam, erreichte Wilhelm Bringsheim das Haus von Bürgermeister Scheyrer. Er achtete nicht auf die fortgeschrittene Stunde. Rüde ließ er ihn herausklingeln, um dem Staatsmann im Nachtgewand seinen Ärger zu bekunden.
    Jene Artikel, die ihn zum Hahnrei machten, lagen alsbald auf dem Tisch ausgebreitet. Freunde und Feinde spotteten gleichermaßen über den Fabrikbesitzer, dessen Frau ihn mit Samuel Alt aufs Schändlichste betrüge.
    So weit die misslichen Nachrichten. Jetzt wolle er, Wilhelm Bringsheim, von ihm, Maximilian Scheyrer, wissen, was er gegen Samuel Alt zu tun gedenke.
    Der Bürgermeister war schlaftrunken. Sein Kopf schmerzte. Er dachte, den anderen mit einem Gläschen Holunderlikör zu beruhigen, doch las er an dessen entschlossener Miene ab, dass er gegen ihn nicht ankommen konnte.
    »Ihr wollt mir doch nicht sagen«, hielt er hilflos dagegen, »dass sich die Staatsgewalt dieser peinlichen Sache annehmen sollte?«
    Wilhelm Bringsheim war schnell im Entscheiden. Noch ehe der Beamte ganz erwachte, erklärte er fest, dass er genau dieses wünschte.
    »Samuel Alt ist kein gewöhnlicher Künstler«, herrschte er Scheyrer an. »Er beutet Menschen aus und malt mit deren Blut! Das dürfte reichen, gegen ihn einzuschreiten! Holt mir meine Frau zurück, und ich will Euch nicht länger zürnen! Gelingt es, die Sache zu regeln, ohne dass ein größerer Skandal daraus entsteht, werde ich mich erkenntlich zeigen.«
    Die Augen des Fabrikbesitzers wurden schmal. »So weit ich weiß«, setzte er an, »ist dieser Ort noch nicht an das Netz der Pferdeeisenbahn angeschlossen. Es sollte mich nicht wundern, wenn es Euer Bestreben wäre, den Bau dergleichen in Eurer Amtszeit zu erleben. Man wird es Euch danken...«
    Bürgermeister Scheyrer überlegte verwirrt. »Es ist keine Stimmung hier im Land gegen Samuel Alt zu machen«, wehrte er eingeschüchtert ab.
    Wilhelm Bringsheim hob unwirsch eines der Journale auf, in denen sein Name zu lesen war.
    »Dann nehmt diesen anderen, den der verfluchte Bechtlhuber nannte!«, erklärte er streng und gönnte dem Staatsbeamten weder Nachdenken noch Widerspruch. »Nehmt Doktor Grothusen!«
    In den nächsten Tagen erreichte eine Bekanntmachung alle Dörfer und Städte der

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