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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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können!«
    Man lauschte ihm gutmütig. Unmerklich zitterte seine Hand, die die Zigarre umklammerte.
    »Nun«, erklärte Simon Grothusen und wies auf Samuel. »Diesen hier habe ich gefunden, wie er am Römer seine Bilder anpries, ohne die Menschen mit seinen Worten zu erreichen. Da dachte ich mir, wenn er zu malen versteht, nicht aber, darüber zu sprechen, ich hingegen sprechen kann, nicht aber malen, wäre es gut, ihn hierher zu bringen.«
    Verlegen und unschlüssig trat Samuel von einem Fuß auf den anderen. Ein Halbkreis hatte sich um sie gebildet.
    »Selbstlos wie stets, Herr Doktor!«, rief einer spöttisch. »Der holden Kunst ergeben und auf der Suche nach ihren willfährigen Dienern! Willst nicht auch einen spritzigen Wein nehmen, wo du so eifrig an deiner Zigarre paffst?«
    Mehrere Gläser wurden ihnen gleichzeitig entgegengestreckt.
    »Ho, ho!«, tönte neues Gelächter, da Samuel keines nehmen wollte. »Wie’s scheint, ist dein Gast verschreckt von unserer Horde! Es ist tatsächlich so, dass wir ein merkwürdiges Völkchen sind. Manch einer der Bauersleute schreit seine Kinder an, wenn sie mit uns sprechen wollen. ›Haltet euch fern von diesem Pack!‹, ist dann zu hören. ›Faulenzer! Allesamt! Lassen den ganzen Tag über nur Witz und Apfelwein fließen!‹«
    »Ja, ja!«, grölte einer dazwischen. »Und wenn wir im Herbst wieder zurück ins Stadel kommen, wo wir bei Jakob Becker lernen, so belacht man uns für das, was wir im Sommer hier treiben. Wir malen die Landschaft, pah! Im Freien außerdem! Und wenn wir Menschen fassen, so malen wir Bauern und Weiber und Kinder, anstatt uns hehren Motiven zu weihen.«
    »Und obendrein«, klang es vom hinteren Teil des Raums, »und obendrein wagen wir es auch, andere Bäume zu malen als die Eiche. Oder wusstest du das nicht – dass die Eiche auf den großen Historienbildern erlaubt ist, alle anderen Bäume aber nicht?«
    Samuel schwieg verstockt.
    »Sei’s drum«, stieß ihn einer zuprostend an. »Wir malen das, was wir sehen – und nicht das, was schön ist. Das macht uns zu Gefallenen und Sündern und obendrein zu einer verschworenen Bande. Und jetzt trink einen Humpen Wein, steh nicht länger schüchtern herum, sondern erzähle von dir und was dich treibt.«
    Samuel blieb starr, während Grothusen ruhig seine Zigarre paffte.
    »Ihr habt es gehört«, sprach er Samuel schließlich zu. »Greift zu und stärkt Euch!«
    »Warum«, murmelte jener fortwährend verstört. »Warum habt Ihr mich hierher gebracht?«
    Der Doktor zeigte keine Regung. Ein letztes Mal sog er an der verglimmenden Zigarre.
    »Ich sagte es doch bereits, dass ich die Kunst liebe«, wiederholte er. »Ich will jenen, die sie schaffen, zu einem Leben verhelfen, in dem genügend Ruhe ist zu malen – weil ich den Rest erledige. Seht Euch um hier! Noch müssen die Versammelten für ein Abendessen sparen, und ihre Bilder hängen bestenfalls im ersten Stock, weil der Ränkerwirt ihr Gönner ist. Ich aber will für Ausstellungen in der Rezeptur sorgen, in Königstein, in Frankfurt. Ich will Sorge tragen für den Verkauf. Ich will sie groß machen, auf dass man ihre Namen nennt, wenn man die Frankfurter Maler meint – und nicht etwa nur Seekatz, Morgenstern und Nothnagel. Ich will Kontakte machen zu den Frankfurter Bürgern – den Rothschilds, Bildmanns, Brentanos.«
    Er neigte sich vor. Seine Stimme wurde ernst, und sein Lächeln schien geglättet. »Wenn Ihr klug seid, Samuel Alt, dann setzt Ihr auf mich. Ihr seid der Künstler und ich der Verkäufer. Ihr tragt Eure Einfälle auf die Leinwand, und ich verwalte sie. Ihr malt, und ich rede!«
    Beim letzten Wort kam er ins Husten. Einige der Umstehenden hatten gelauscht und klatschten verspielt.
    »Ihr wollt gewiss nicht noch einmal wie ein schäbiger Verbrecher im Zuchthaus enden«, raunte Grothusen ihm zu, »also vertraut mir!«
    Nur langsam konnte sich Samuel im Wirtssaal zurechtfinden und setzte sich erst, als er sich nicht mehr auf den schmerzenden Füßen halten konnte, die voller Blasen waren vom langen Fußmarsch. Verschwiegen und müde starrte er an Grothusen vorbei und zögerte mit der Antwort, bis Lena ihr Mahl beendigt hatte und sich an seiner Seite niederließ. Hastig von ihr abrückend, hob er den Kopf.
    »Bist sehr geschwätzig«, murrte er in Grothusens Richtung und fühlte sich trotz der befremdenden Umgebung mutig genug, um zum Du zu wechseln. »Will’s dir auch glauben, was du sagtest. Solltest aber dennoch wissen: Mein Bild ist

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