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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Kain nicht töten. Noch nicht. Er brauchte ihn lebend, aus dem gleichen verzweifelten Grund, aus dem sein Halbbruder ihn seinerseits nicht getötet hatte. Unter diesem Mantel aus Hass und Verzweiflung verbarg sich Wissen, ein Bruchstück seiner Seele, das er verloren gegeben hatte. Ein dunkler Splitter. Doch wer wandelte schon stets im Licht?
    Verächtlich presste Alan die Lippen zusammen. Er wischte die Klinge seines Dolches am Hosenbein sauber, Schichten um Schichten geronnenes Blut, und trat hinaus vor die Tür, um Kains Ankunft zu erwarten.

    Zuerst stieg ihr der Blutgeruch in die Nase, Kupfer mit einem Hauch von Verfall. Benommen setzte Eve sich auf. Um sie herum herrschte Chaos. Herausgerissene Schubladen, eine Vase, die zerschmettert am Boden lag. Jemand hatte die Bilder von den Wänden gefegt und die Rahmen aufgebrochen.
    Übelkeit stieg in ihr hoch. Sie hockte minutenlang auf der Bettkante, den Oberkörper vornübergebeugt, und würgte. Ihre Arme, ihre Kleider waren voller Blut. Panisch begann sie, ihren Körper abzusuchen. Doch sie fand nichts, außer einer Schramme an der Schläfe, die schmerzte, als sie dagegen drückte. Oh Gott. Sie erinnerte sich kaum, was geschehen war. Da war der Schock gewesen, als sie sich dem weißlockigen Killer gegenübersah. Sie versuchte, sich seinen Namen ins Gedächtnis zu rufen. Kain. Er hatte sie gefesselt. Kurz darauf waren die vier Fremden aufgetaucht, vermutlich die gleichen Männer, die bereits im 717 versucht hatten, sie zu töten. Es ging um den Ring, natürlich. Deshalb hatten sie das Haus durchwühlt. Und sie hätten ihr vermutlich die Haut vom Leib geschnitten, wäre der blonde Killer nicht eingeschritten. Einer der Männer hatte sie geschlagen, danach setzte ihre Erinnerung aus. Sie hatte keine Ahnung, wie sie hierher gelangt war.
    Taumelnd richtete sie sich auf. Unter ihren Füßen knirschten Glasscherben, als sie in den Korridor ging. Von der Terrasse schwangen die Stimmen zweier Männer herüber.
    Ein neuer Schwall Panik schoss in ihr hoch. Doch sie zwang sich zur Vernunft. Hätte man sie töten wollen, dann wäre sie längst nicht mehr am Leben.
    Die Haustür stand halb offen. Sie entspannte sich ein wenig, als sie Alans Silhouette erkannte. Zu ihrem Entsetzen war der zweite Mann Kain. Er sah furchtbar aus. Etwas in ihr krümmte sich, als ihr klar wurde, dass es Blut war, das seine Locken dunkel färbte. Sie bemerkte die Pistole in Alans Hand und den Dolch in der anderen, eine dunkle, abgeschrägte Klinge. Kains Hals, sein Kinn, sein gesamtes Gesicht war eine einzige blutende Wunde. Eve wusste nicht, was zwischen den beiden Männern vorgefallen war. Die Luft war aufgeladen von Aggression, doch Alan hielt die Waffe nicht auf den anderen gerichtet.
    „Du hast nicht mehr viel Zeit“, sagte er.
    Kain lachte, ein trockener Laut. „Wegen der Transformation?“ Seine Hand glitt hoch zu seiner Kehle. „Ich habe getrunken.“ Als erklärte das alles. „Was ist mit der Frau?“
    „Sie ist nicht verletzt.“
    „Wo ist sie?“
    Alan machte eine Kopfbewegung zur Haustür. „Warum hast du das getan?“
    Kain verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Niemand jagt meine Beute.“
    „Nein.“ Alan schüttelte den Kopf. „Du lügst.“
    „Und wenn es so wäre?“
    „Müsste ich dich töten.“
    Dieses Mal lag echte Belustigung in Kains Lachen. „Warum glaubst du, dass du das könntest?“
    Alan hob die Pistole ein wenig. „Willst du es darauf ankommen lassen?“
    Eve sog scharf die Luft ein, als Kain einen Schritt zur Terrasse machte. Zugleich hob er die Handflächen in einer beschwichtigenden Geste.
    „Es ist mir egal, ob du lebst oder stirbst.“
    „Nein, dir geht es um Mordechai.“
    Der Killer nickte. „Hilfst du mir?“
    „Weil du so höflich darum gebeten hast?“
    Er zuckte mit den Schultern. „Du bist noch am Leben, nicht wahr? Du verstehst, was ich will. Denn du willst es auch.“
    „Ich habe meinen Frieden mit ihm gemacht.“ Alans Stimme klang defensiv. Etwas ging zwischen den beiden Männern vor, das Eve nicht verstand. „Aber ich halte dich nicht auf.“
    „Nein, du versteckst dich.“
    Die Pistole in Alans Hand zitterte. „Was willst du tun, wenn du vor ihm stehst? Glaubst du, du kannst ihm auch nur einen Kratzer zufügen?“
    Kains Stimme hob sich. „Niemand ist unsterblich.“
    „Nein.“ Alan wandte sich um und streckte eine Hand nach der Tür aus.
    Eve fuhr zurück, tiefer ins Dunkel. Dann polterten Kains Schritte auf den Holzdielen, er

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