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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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packte Alan an der Schulter und riss ihn herum. Für einen Moment sah Eve ihre Gesichter, ganz dicht voreinander im Licht. Sie erschrak, wie ähnlich sie sich waren. Ihre Profile glichen einander wie Reflexionen in einem Spiegel.
    Eve wollte nicht verstehen, was das bedeutete. Wie betäubt starrte sie beide an. Sie ließen voneinander ab, fast gleichzeitig, als hätten sie sich aneinander verbrannt.
    „Was ist zwischen euch?“, knurrte Alan.
    Kains Antwort blieb unverständliches Gemurmel. Alan hieb eine Faust gegen die Wand, dann begann er zu lachen. Hohn schwang darin, Verzweiflung, schließlich Hilflosigkeit. Er wich vor Kain zurück.
    „Blutsbande, nicht wahr? Ihr Blut fließt jetzt in deinen Adern.“ Sein Lachen riss ab. „Hast du das vorher gewusst? Du hast dich mit ihr verbunden. Liebe oder Tod, so heißt es doch in den Legenden.“
    „Du wirst mir nicht im Weg stehen“, knurrte Kain.
    Eve stieß gegen ein Hindernis. Etwas stürzte scheppernd zu Boden. Das Geräusch stieß wie eine Nadel in die Atmosphäre drohender Gewalt, die zwischen den Schattenläufern hing. Beide erstarrten.
    „Eve?“ Alans Stimme klang heiser.
    Sie löste sich aus den Schatten. Als sie hinaustrat in das gelbliche Licht der Terrasse, fühlte sie sich entblößt. Wie jemand, der seine Rüstung abstreift im Angesicht seiner Feinde.
    „Hat Mordechai diese Typen geschickt?“ Es war das erste, was ihr einfiel. Sie wollte nur das Schweigen brechen, die schreckliche Stille, die zwischen ihnen hing.
    „Nein.“ Ihre Stimmen überschnitten sich. Sie verstummten beide, doch nur für einen Moment.
    „Das glaube ich nicht“, sagte Kain.
    „Warum nicht?“, fragte Eve.
    „Weil“, er formulierte seine Worte deutlich und langsam, „das bis gestern Nacht mein Auftrag war. Wenn Mordechai ihren Tod wollte“, nun sprach er zu Alan, „würde er nicht ausgerechnet mich damit beauftragen.“
    „Was heißt das, bis gestern Nacht?“ Sie verspürte Ärger, weil Kain den zweiten Teil seiner Antwort an Alan gerichtet hatte. Als wäre sie ein Gegenstand, ein Objekt ohne Willen.
    „Ich habe den Job zurückgegeben.“ Nun sah er sie direkt an. Seine Augen, von einem hellen Grau, wirkten beinahe durchsichtig. Und schneidend, so schmerzhaft, dass sie sich zwingen musste, seinem Blick nicht auszuweichen. „Was ist das für ein Ring?“ fragte er.
    „Ein Relikt“, erwiderte Alan, bevor Eve etwas sagen konnte. „Ein verrückter Traum.“
    „Und Mordechai will ihn haben?“
    „Viele wollen ihn.“
    Kain machte eine Kopfbewegung zum Hügel. „Dann werden das nicht die Letzten gewesen sein, wenn dieser Traum so begehrt ist.“
    „Nein.“ Alan schob die Pistole in seinen Gürtel. „Wir müssen hier weg.“ Er streckte eine Hand nach Eve aus und berührte ihre Wange. „Bist du okay?“
    Sie zuckte zusammen, überrascht von der Banalität seiner Frage. „Klar“, sagte sie dann. „Mir geht es bestens.“
    Alan sah sie lange an. Sein Blick wanderte zurück zu Kain. Seine Wangenmuskeln arbeiteten. Sie wünschte sich in diesem Moment, seine Gedanken lesen zu können. Doch sein Gesicht verriet nichts. Kains blutige Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Sie war nicht sicher, ob es Triumph war, den sie darin las.

21
    Z weifel zerrten an Alan, als er darauf wartete, dass der Wachmann das Gittertor öffnete. Jemand hatte die Graffitis vom Firmenschild entfernt. Weiße Lettern leuchteten wieder auf schwarzem Grund. Carnegies Export-Import. Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, Eve in Kains Obhut zurückgelassen zu haben. Doch die Entscheidung hatte er nun einmal getroffen, gestützt auf seine Instinkte und auf die Annahme, dass aus Gegnern Verbündete werden konnten, wenn ein gemeinsamer Feind sie einte. Oder ein gemeinsames Ziel. Und es gab keine Alternative. Nur viele Unwägbarkeiten.
    Was, wenn es doch Mordechai gewesen war, der die Jäger geschickt hatte? Alan wollte das nicht wahrhaben. Aber das bedeutete nicht, dass es unmöglich war. Was, wenn Kain ihm eine Lüge vorgaukelte? Was, wenn er Eve in den Klauen eines Monsters zurückgelassen hatte? Kain war ein Monster, ohne Zweifel. Aber seine Motive, seine blutgeborene Leidenschaft machten ihn zum besten Leibwächter für Eve, den man sich wünschen konnte.
    Trotz der späten Stunde herrschte hektischer Betrieb auf dem Gelände von Carnegies Export-Import. Der Hof war voller Menschen. Vor dem Lagerhaus auf der anderen Seite standen zwei LKWs mit heruntergefahrenen Laderampen.
    „Was ist

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