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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut
Autoren: Andrea Gunschera
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empfand, eine Liebe, die sie ihm vorenthielt, schürte seine Aggression. Doch zugleich wusste er, dass er das nicht tun würde. Noch nicht. Möglicherweise würde er Alan noch brauchen, solange Mordechai am Leben war.
    Er ließ das iPhone zurück in die Tasche fallen und wanderte zurück zur Strandpromenade. Holzbretter knarrten unter seinen Füßen. Zwei junge Frauen in dünnen Kleidern schlenderten die Straße hinunter. Kain folgte ihnen mit etwas Abstand. Er überlegte, dass er einer von ihnen das Genick brechen könnte, und von der anderen trinken, doch dann verwarf er die Idee. Er war noch satt von seinem letzten Opfer und für den Genuss fehlte ihm die Muße.
    So ließ er sie ziehen und tauchte ein in die Geschäftigkeit des Yachthafens. Unwillkürlich blickte er hoch zum Ocean Inn, auf die spiegelnden Fenster. Vielleicht schlief sie. Schliefen sie beide? Er widerstand der Versuchung, seinen Geist zu öffnen und nach Alans Aura zu tasten. Besser, der andere bemerkte ihn nicht. Noch nicht. Im Augenblick gab es nichts weiter zu tun als zu warten. Also wartete er, formte seinen Hass und die Wut und schliff sie beide zu neuer Schärfe.

    Eve lauschte dem Klingeln im Hörer des Münztelefons. Die Geräusche und Geschäftigkeit des kleinen Yachthafens hüllten sie in einen angenehmen Mantel von Normalität. Alan schlief noch, doch sie hatte es nicht länger im Bett ausgehalten. Und der Spaziergang von dem Motel bis hier herunter hatte ihre Lebensgeister wieder geweckt.
    „Nimm schon ab“, flüsterte sie. Dabei war sie nicht einmal sicher, dass Felipe überhaupt Zugriff auf sein Handy hatte. Vermutlich lag er noch im Krankenhaus. Sie brach ab und wählte erneut. Es klickte ein paar Mal, dann hörte sie plötzlich seine Stimme. Vor Erleichterung stiegen ihr beinahe die Tränen in die Augen.
    „Hey“, sagte sie.
    „Eve?“ Sie hörte eine Unstetigkeit in seiner Stimme, ein ungläubiges Zittern. „Eve, bist du das? Bist du okay?“
    „Ja, mir geht’s gut.“ Sie stieß den Atem aus. „Ich bin froh, dich zu hören.“
    „Wo steckst du? Ich dachte ...“, er verstummte einen Moment. „Geht es dir wirklich gut?“
    „Ich schwöre es.“ Sie schluckte das schlechte Gewissen hinunter. „Hör mal, was ist mit dir? Alles in Ordnung?“
    „Zu meiner Überraschung, ja.“ Ein Anflug seines alten Humors schimmerte hindurch. „Ich weiß nicht genau, wie ich ins Krankenhaus gekommen bin, aber die Ärzte sagen, ich erfreue mich bester Gesundheit.“ Seine Stimme senkte sich ein wenig. „Ich denke darüber nach, religiös zu werden.“
    „Was?“
    Sein Ton fiel noch weiter ab. „Ich muss nur noch herausfinden, welcher Religion ich mich zuwenden werde.“
    „Du machst Witze.“
    „Ich habe Narben“, wisperte er. „Die Ärzte sagen, ich war voller Blut, als sie mich eingeliefert haben. Aber sie konnten keine Verletzungen finden.“
    Eve seufzte innerlich. Sie würde ihm das eines Tages erklären müssen.
    „Weißt du übrigens, dass die Polizei die Revolvermänner gefunden hat?“, fuhr Felipe fort. „Ich musste sie identifizieren.“ Er stieß einen angewiderten Laut aus. „Jemand hat sie abgeschlachtet.“
    „Ja“, sagte Eve. „Was für ein Glück.“
    Ob er wusste, in welchem Zustand sie sein Strandhaus zurückgelassen hatte? Wahrscheinlich hatten die Bullen ihm nicht einmal erzählt, dass die Leichen ganz in der Nähe des Hauses gefunden worden waren.
    „Mark stellt alles auf den Kopf auf der Suche nach dir.“
    „Sagst du ihm bitte nicht, dass ich angerufen habe?“
    Er schnaubte nur. „Hat dich dein Maler gefunden?“
    „Ja.“ So viel hatte sich verändert. Aber das konnte sie ihm nicht am Telefon erzählen. Oder vielleicht konnte sie es ihm überhaupt nicht erzählen. Sie brauchte Zeit.
    „Und?“
    „Wir lieben uns.“ Sie hatte plötzlich das überwältigende Bedürfnis, Felipe ein gutes Gefühl zu geben. Er sollte sich keine Sorgen um sie machen. „Ich bin vielleicht ein paar Tage weg“, sagte sie. „Wir verreisen zusammen. Es ist sehr romantisch.“
    Felipe fehlten die Worte. Und sie dachte, dass sie für diese Lüge Abbitte leisten musste. Eines Tages. Vielleicht mit einer Geschichte über heilendes Blut und gefallene Engel.

    Kain spürte die Männer, bevor sie in sein Blickfeld traten, wie ein Schatten, der plötzlich die Sonne verdunkelt. Sie waren zu viert, alle vom Blut und Kain erkannte einen von ihnen.
    Ravin, Mordechais loderndes Schwert. Diese Züge hatten sich in sein
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