Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
einem ganzen Pulk Leibwächtern, die aber draußen im Treppenhaus warten mussten. Er hat privat mit den beiden Brüdern getafelt und übers Geschäft geredet. Ich glaube, es hat etwas mit Kunstschmuggel zu tun. Oder Kunstraub. Ich war ja immer nur kurz im Raum.“
    „Woher weißt du dann, dass es um Kunstraub geht?“
    „Einer der Brüder hat Mordechai ein Bild auf seinem iPhone gezeigt. Ich habe es eine halbe Sekunde gesehen. Da war eine Statue drauf, aus Marmor. Sah antik aus.“
    „Aber deshalb muss es nichts Illegales sein, oder?“
    „Schätzchen“, Nastasja grinste, „ich schwöre dir, wenn Mordechai seine Finger im Spiel hat, dann ist es garantiert illegal. Außerdem sind Arkadin und Andrej nicht gerade das, was man sich unter einem feinsinnigen Kunsthändler vorstellt. Die gehören zur Grupperovka.“ Sie verzog die Lippen, als wolle sie ausspucken. „Moskauer Abschaum. Keine Manieren und kein Respekt. Benehmen sich wie die Barbaren. Kein Wunder, da wo die herkommen.“
    „Was ist Grupperovka?“
    „Die Moskauer Unterwelt.“ Nastasja ließ den glimmenden Zigarettenrest zu Boden fallen und trat ihn mit ihrer Schuhspitze aus. „Typen, die Porsches fahren und denken, sie könnten alles kaufen. Und was sie nicht haben können, schlagen sie eben kaputt.“
    „Das heißt also, diese Brüder, Andrej und Arkadin, sind Kriminelle, die aus Moskau gekommen sind, um mit diesem Mordechai ein Geschäft abzuschließen, bei dem es um eine antike Statue geht.“
    „Du hast es erfasst.“ Nastasja wandte sich um. „Komm, lass uns wieder reingehen.“
    Eve schwamm der Kopf, als sie zurück in das Gebäude trat. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, alle Sinneseindrücke mit schneidender Klarheit aufzunehmen. Namen und Bilder schwirrten durch ihren Geist. Sie drückte den Türflügel auf und ließ Nastasja eintreten. Nach der Stille im Hof dröhnte ihr die Musik in den Ohren wie ein plötzlicher Sturm. Ein paar Gäste in Gothic-Kostümen wichen vor ihr auseinander und gaben den Blick frei auf zwei Männer, die sich den schmalen Gang hinunter bewegten, direkt auf Eve und Nastasja zu. Beide waren groß und kantig.
    „Hey, Nastja“, sagte einer von ihnen. Farblose Augen richteten sich auf Eve. „Wer ist deine Freundin?“
    Nastasjas Stimme neben ihr hatte den spöttischen Tonfall verloren. „Das ist Eve.“ Der Blick, den sie Eve zuwarf, war Abbitte und Warnung zugleich. „Und das sind Arkadin und Andrej. Was wollt ihr Süßen trinken?“

    Sirenen zerschnitten die Nacht.
    Alan lauschte selbstvergessen, während er seinen Blick auf die Leinwand gerichtet hielt. Wenn er sich konzentrierte, konnte er einzelne Pigmente in der Grundierung erkennen. Er hatte das halb begonnene Bild zur Seite gestellt und durch einen frischen Malgrund ersetzt. Er fühlte sich nicht in der Stimmung, Marty in die Augen zu sehen. Seine Gedanken drifteten. Eve kam ihm in den Sinn. Wo war sie hergekommen, gestern Nacht? Sie war plötzlich aufgetaucht, noch dazu mit einer Waffe. Seltsam.
    Er nahm ein Stück Kohle in die Hand. Mit raschem Schwung zeichnete er eine Profillinie. Eine schmale Nase, leicht aufwärts geschwungene Lippen. Kleine Locken über dem Nacken. Er ließ den Arm sinken und trat einen Schritt zurück, um die Skizze zu betrachten. Nicht schlecht. Die Ähnlichkeit war unverkennbar. Dann wurde ihm bewusst, was er gerade tat. Irritiert schüttelte er den Kopf. Warum hatte er sie zu malen begonnen?
    Noch während er der Frage nachhing, stieg Groll in ihm auf. Groll gegen sich selbst, gegen die Zwänge, die er sich auferlegte. Was war dabei, wenn er sie malte? Er hatte eine Frau getroffen, sie inspirierte ihn. Warum schmeckte es wie Verrat? Vor allem woran? An seinem Versprechen, sich selbst zu bestrafen?
    Der Groll loderte auf zu Wut. Alan ließ die Kohle zu Boden fallen. Seine Zähne pressten sich so fest aufeinander, dass seine Wangenmuskeln zu schmerzen begannen.
    Das Bedürfnis, die Wut in Zerstörung zu entladen, wurde übermächtig. Diese Wut war es, die er einst entfesselt hatte, im Angesicht seiner Feinde. Oder nein, nicht
seiner
Feinde. Er hatte aus Pflichtgefühl getötet. Aus Angst, einem Anspruch nicht gerecht zu werden, einem Ideal, das vor Jahrhunderten seine Bedeutung verloren hatte.
    Seine Faust krachte gegen die Ziegelwand. Die Stöße setzten sich in seine Schulter fort, eine schmerzhafte Prellung seiner Muskeln und Knochen. Wieder schlug er gegen die Steine, und wieder, so schwer, dass die Haut über seinen

Weitere Kostenlose Bücher