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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Daniels Hand. „Danke, bin gleich zurück.“

    Das Hyatt Regency mit seinen sechzehn Stockwerken überragte die meisten anderen Gebäude in der Gegend. Kain hatte ein Zimmer gebucht und war hinaufgefahren aufs Dach. Die Plattform bot einen guten Blick auf die Haupteinfahrt des Carnegies-Geländes. Scheinwerfer beleuchteten einen breiten Streifen beidseits der Mauer. Die Sicherheitskameras waren in so kurzen Abständen montiert, dass es unmöglich war, sich der Wand zu nähern, ohne von einer Linse erfasst zu werden.
    Kain musterte einen Wachmann, der vor der Schleuse stand. Obwohl drahtig und gut trainiert, war der Wächter nur ein gewöhnlicher Mensch. Kain hatte zuerst geglaubt, dass die Sicherheitsmannschaft für die Außenbereiche ausschließlich aus Menschen bestand, aber dann hatte er sich korrigieren müssen. In der Betonbaracke mit den Panzerglasfenstern neben dem Tor hielten sich mindestens zwei Schattenläufer auf. Einer von ihnen, ein blasser Junge mit rötlichem Haar, führte das Kommando. Kain würde sich später mit ihm befassen.
    Er fuhr sich durch die Locken. Das Dach lag verlassen. Er stand allein im nächtlichen Wind. Kein Mensch störte die Einsamkeit.
    Vater.
    Er dachte das Wort so laut, dass es auf seinen Lippen zu schmelzen begann.
    Vater. Bald ist es so weit.

    „Du erinnerst dich nicht an mich, stimmt’s?“ Nastasja blies den Rauch durch ihre Nase. „Schon okay, ich nehm’s dir nicht übel.“
    Sie standen auf der Rückseite des Clubs zwischen Mülltonnen und Schutt. Es stank nach verrottetem Gemüse. Eine Irritation dämpfte Eves Hochgefühl. Etwas entging ihr und als die Russin das Gespräch so direkt eröffnete, wusste sie nicht, was sie entgegnen sollte.
    „Habe ich mich irgendwie daneben benommen?“, fragte sie, weil ihr keine bessere Antwort einfiel. „Falls ja, tut’s mir leid. Ehrlich. Vielleicht kann ich mich damit herausreden, dass ich betrunken war.“
    Die Russin lachte. „Keine Sorge. Aber ich bin nicht Daniel, klar? Bei mir gibt’s Informationen nur gegen Kohle.“
    Eve hob eine Augenbraue.
    Nastasja drückte die Zigarette an der Hauswand aus und zündete sich eine neue an. „Ich weiß, dass du Reporterin bist. Das hier ist nicht gerade dein Stammclub, also bist hinter irgendwas her, stimmt’s? Süßes Kleidchen übrigens.“
    „Hilf mir mal. Woher kennen wir uns?“
    „Die Schießerei im La Golondrina letztes Jahr.“
    Eve massierte sich die Schläfen. „Ach ja“, murmelte sie. „Du hast da gearbeitet?“
    Nastasja lächelte.
    „Wie viel?“, fragte Eve.
    „Kommt darauf an, was du willst.“
    „Ich brauche ein paar Details über einen Kerl namens Andrej Icoupov, der die Innenseite seiner Finger tätowiert hat.“
    „Warum interessiert er dich?“
    „Das sage ich dir, wenn du mir sagst, was du über ihn weißt.“
    Die Russin schüttelte den Kopf. Puderige Strähnen wippten gegen ihre Wangen. „Ist mir eigentlich auch egal. Fünfhundert.“
    „Was?“
    „Fünfhundert, jetzt gleich.“
    Eve zögerte. Fünfhundert Dollar waren ein stolzer Preis, vor allem beim derzeitigen Stand ihrer Finanzen. Sie hielt Nastasjas Blick stand, während sie überlegte, ob sie darauf einsteigen sollte. Die Züge der Russin waren hart, trotz des Lächelns um ihre Lippen. Die Frau würde nicht verhandeln. Entweder Eve zahlte ihren Preis, oder sie ließ es bleiben.
    „Okay.“
    Nastasja streckte eine Hand aus.
    „Jetzt sofort?“
    „Vorkasse.“
    „Hoffentlich ist der Typ das wert.“ Eve förderte ihre Brieftasche zutage und zählte ein Bündel Dollarnoten ab.
    „Du trägst ganz schön viel Geld mit dir herum“, bemerkte Nastasja. Lässig blätterte sie durch die Scheine, dann ließ sie das Päckchen in einer Falte ihres Kleides verschwinden. „Könnt ihr Typen das eigentlich von der Steuer absetzen?“
    „Wenn du mir eine Quittung schreibst?“
    Die Russin lachte.
    „Was habe ich gekauft?“
    Nastasjas Augen wurden schmal. „Du weißt das nicht von mir, klar? Mordechai hetzt mir seine Gorillas auf den Hals, wenn er’s erfährt.“
    „Keine Sorge. Ich gebe meine Quellen nicht preis.“
    „Okay. Es sind zwei Brüder, Andrej und Arkadin. Geschäftspartner von Mordechai. Sie kommen aus Moskau und führen sich auf, als würde ihnen der Club gehören.“
    „Um welche Art von Geschäften geht es?“
    „Keine Ahnung. Ich habe bedient, als sie sich das erste Mal getroffen haben. Wir haben ein paar Räume oben im zweiten Stock für Veranstaltungen. Mordechai kam mit

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