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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Ingwer. Ingwer.
    Als sie aus der Unterführung heraustreten wollte, verdunkelte sich das Sichtfeld zwischen den Folien. Ein Mann trat ihr in den Weg. Eve erschrak so sehr, dass ihr der Beutel mit den Einkäufen entglitt.
    „Hallo, Eve“, sagte der weißblonde Killer. „Ich dachte, ich sehe mal nach, wo du bleibst.“

    Die Schreie des Rothaarigen hatten jede Menschlichkeit verloren. Die Kehle längst heiser und wund, kämpfte er wie wahnsinnig gegen die Fesseln. In seinen Augen flackerte Entsetzen, und Kain wusste, dass er nie zuvor ernsthaft verletzt worden war. Er kannte die Gabe der Heilung noch nicht. Diese Pein, als würde das Fleisch gewaltsam von den Knochen gerissen. Das Aufbäumen seines nichtmenschlichen Metabolismus, bevor sich die Wunden zu schließen begannen. Als müsste der Körper die versehrten Teile vernichten, bevor er das Gewebe erneuern konnte.
    Kain fand seinen eigenen Schmerz dagegen erträglich. Doch seine Schmerztoleranz war hoch; zudem waren keine inneren Organe verletzt. Er krümmte sich, als die letzte Welle ihn überlief, atmete weiter und spürte zuletzt, wie seine Muskeln sich entspannten. Wärme breitete sich in seinem Arm aus. Der Schnitt hatte aufgehört zu bluten.
    Er warf einen Blick auf den Rothaarigen, der endlich verstummt war. Tränen liefen über die Wangen des Mannes. Kains Beine zitterten ein wenig, als er sich aufrichtete. Er zog sein Messer aus der Scheide am Fußknöchel und trat dicht an den Rothaarigen heran. Dann ließ er sich auf die Brust des anderen niedersinken. Der Mann zog die Füße an, um ihn zu attackieren, stoppte aber mitten in der Bewegung, als er die Klinge an seiner Kehle spürte.
    „Die Transformation ist neu für dich?“
    Der Mann hustete.
    „Wie heißt du?“, fragte Kain. Er wartete ein paar Sekunden, dann tastete er mit der freien Hand die Taschen des anderen ab. Er fand eine Geldbörse, klappte sie auf und betrachtete den Führerschein. „Nicht, dass es wichtig wäre.“ Kain ließ die Brieftasche fallen. „Chris, ja? Es macht es nur einfacher, sich zu unterhalten. Mein Name ist Kain.“
    Der Mann namens Chris antwortete nicht.
    „Du bist noch ein Kind.“ Kain lächelte. „Du glaubst, wir sind unzerstörbar. Und das sind wir auch, zu einem gewissen Grad. Unser Blut ist etwas Besonderes. Es erneuert unsere Körper. Es hält uns jung. Deshalb ...“, er zog einen Schnitt über Chris’ Kehle, nicht sehr tief, aber genug, dass die Wunde zu bluten begann, „ist es zugleich unsere verwundbarste Stelle.“
    „Wer bist du?“ Chris’ Stimme war kaum mehr als ein Krächzen.
    „Nur ein Sohn, der Sehnsucht nach seinem Vater verspürt.“ Kain lachte leise. „Vielleicht haben sie es dir nicht gesagt, aber wir sind nicht unsterblich. Man kann uns töten. Man muss nur unsere Adern aufschlitzen und dafür sorgen, dass das Leben aus uns herausläuft, bevor die Transformation einsetzen kann.“ Er drückte die Spitze des Messers gegen die Halsschlagader des Mannes, verletzte sie aber nicht.
    „Warum sagst du mir das?“
    „Damit du deine Optionen kennst. Leben oder sterben. Willst du leben, Chris?“
    Der Mann zitterte. Seine Pupillen glänzten wie die eines in die Enge getriebenen Tieres.
    „Gut“, fuhr Kain fort, ohne eine Antwort abzuwarten. „Wenn du leben willst, dann hilf mir, Mordechai zu treffen.“
    Chris schloss die Augen und öffnete sie wieder. „Das kann ich nicht. Selbst wenn ich wollte. Ich bin nur ein kleines Licht. Ich bin gar nichts.“ Ein halbes Schluchzen entrang sich seiner Kehle. „Du hast dir den Falschen ausgesucht.“
    „Ich glaube nicht.“ Kain verringerte den Druck der Klinge. „Ich glaube sehr wohl, dass du mir helfen kannst. Du musst mir nur ein paar Fragen beantworten.“

    „Warum bist du fortgelaufen?“
    Eve wagte nicht, sich loszureißen. Andrejs Hand umschloss ihren Arm wie eine Stahlklammer.
    „Ich bin nicht fortgelaufen.“ Sie versuchte, die Panik zu unterdrücken. Sie fürchtete, dass er ihre Furcht riechen könnte und dass ihre Angst seine Blutgier anstacheln würde. „Ich hatte Kopfschmerzen.“
    „Soll ich dir die Schultern massieren?“
    Seine zweite Hand glitt über ihren Rücken und tastete sich hoch zu ihrem Nacken. Er erwähnte nicht ihre kleine Verfolgungsjagd durch die Straßenschluchten. Trotzdem war sie sicher, dass er den Porsche gefahren war. Es gab keine andere Erklärung. Er war ihr von Hollywood aus gefolgt.
    „Also, gehen wir zu dir?“, fragte er.
    „Klar“, murmelte Eve.

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